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Eine Mitarbeiterin der Pflege in Schutzausrüstung betreut einen Covid-Patienten

© Fabian Strauch/dpa

Personalengpässe auf Intensivstationen: Prämien für Pflegekräfte sind billiger als ein Lockdown

Die Helden der Pandemie haben wirklich Besseres verdient. 1000 Euro netto mehr pro Pflegenden über den Winter wäre eine Ansage. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Wie soll das nur weitergehen? Da laufen die Intensivstationen voll, und zugleich lesen wir, dass jede fünfte Pflegekraft in der Zwischenzeit, der Corona-Zeit, aufgegeben hat. Weil die Belastung zu hoch, die Wertschätzung zu niedrig und das Geld nicht das ist, was sie eigentlich verdienen.

Dabei haben einige, voran der Bundespräsident, lange gemahnt, die Helden der Pandemie dringend gut, wenigstens besser zu behandeln. Die operative Politik aber hat das Personalproblem im Sommer weder ausreichend adressiert noch entsprechend reagiert.

Das, was jetzt eingetreten ist, war vorhersehbar. Die Zahl der Intensivbetten ist gesunken, sie liegt längst nicht mehr bei weit über 30.000, sondern deutlich unter 25.000. Das kann auf Dauer nicht gutgehen. Die Rechnung lautet also: mehr Pflegekräfte für mehr Intensivbetreuung.

Jetzt ist das Problem erkannt, aber Abhilfe schwierig. Zunächst einmal geht es darum, in diesen Wochen der Not kreativ zu begegnen, was auch geschieht. Da unterstützen zum Beispiel Pfleger:innen aus der Anästhesie auf den Stationen mit Covid-19-Patienten.

Oder es werden pensionierte Intensivpflegekräfte zurückgeholt und Medizinstudierende eingesetzt, die sich um die anderen Patienten auf den Intensivstationen kümmern, die immerhin den Großteil ausmachen. 13 Prozent sind Covid-Patienten.

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Solche und ähnliche Maßnahmen reichen allerdings nicht aus. Phantasie ist gefragt – und politisches Handeln für die Zukunft. Die Zahl der Pflegekräfte muss wieder steigen; zumal bei einem Schlüssel von einer Intensivpflegekraft auf zwei Patienten am Tag und einer Pflegekraft auf drei Patienten in der Nacht. Das gilt seit Februar.

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Was gedacht war, die Belastung zu verringern, richtigerweise, erhöht zugleich die Herausforderung, demgemäß zu handeln. Es gilt unbedingt zu verhindern, dass weitere Intensivbetten gesperrt werden. Da kann vielleicht für eine kurze Zeit ein Pflegender mehrere Patienten übernehmen, eine Dauerlösung ist das nicht. Wo doch Patienten mit schwerer Covid-19-Lungenerkrankung 1:1 betreut werden müssen.

[Lesen Sie auch: Wer sind die Geimpften in den Krankenhäusern? (T+)]

Nötig wäre eine nationale Kraftanstrengung. Eine Rückholaktion „verlorener“ Pflegekräfte. Ein Attraktivitätsprogramm durch die verstetigte Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Mit mindestens einer Prämie jetzt.

Zu Intensivpflegenden müssen genaue Zahlen noch erhoben werden, aber insgesamt gibt es 1,2 Millionen Pflegekräfte. Und wären es 1000 Euro netto für jede:n pro Monat, über den Winter – diese Milliarden wären immer noch weniger, als jeder Lockdown die Gesellschaft kostet. Menschenleben sind in jedem Fall kostbarer.

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