zum Hauptinhalt
Volker Wieker, Generalinspekteur der Bundeswehr.

© ddp

Rüstungsbeschaffung: Oberster Soldat wirft Bundeswehr Milliardenverschwendung vor

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, äußert harte Kritik am desaströsen Beschaffungswesen der Truppe. Auch die Industrie bekommt ihr Fett weg. Wieker plädiert für radikale Maßnahmen.

Ohne eine grundlegende Reform des Beschaffungskreislaufs ist auch in Zukunft die sachgerechte Ausrüstung der Streitkräfte nicht gewährleistet“. Zu diesem harten Urteil kommt der Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, in einem vertraulichen Papier („Bericht des Generalinspekteurs der Bundeswehr zum Prüfauftrag aus der Kabinettsklausur“) an Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), das dem "Handelsblatt" vorliegt.

Zu Guttenberg informiert zur Stunde Fachpolitiker aller Fraktionen des Bundestages, um sie über seine Pläne zur Reform der Bundeswehr zu informieren. Der CSU-Politiker will die Streitkräfte um ein Drittel verkleinern und die Wehrpflicht aussetzen.

Wiekers Schelte am Beschaffungswesen der Truppe könnte derweil nicht härter ausfallen: „Zersplitterte Zuständigkeiten, bestehende Verfahren und Prozesse, Einflussnahme von außen und unzureichende Finanzausstattung schränken den Handlungsspielraum der Streitkräfte seit geraumer Zeit ein.“

Sämtliche großen Rüstungsprojekte der Bundeswehr seien darüber hinaus von drei negativen Merkmalen gekennzeichnet: „Sie fallen aus dem Kostenrahmen, sie fallen aus dem Zeitrahmen“ und sie brächten darüber hinaus „nicht einmal das geforderte Fähigkeitsspektrum.“

Mit anderen Worten: Die Bundeswehr und der Steuerzahler zahlen jährlich Milliardensummen für minderwertige Rüstungsgüter, die dennoch keine sachgerechte Ausrüstung der deutschen Streitkräfte gewährleisten. Wieker lässt keinen Zweifel, wem er die Schuld zuweist: „Hierfür tragen Bundeswehr und Auftragnehmer in der Wirtschaft gleichermaßen Verantwortung.“

Deshalb schlägt der Generalinspekteur eine „grundlegende Reform des Beschaffungskreislaufs“ vor. „Ohne die ist auch in Zukunft die sachgerechte Ausrüstung der Streitkräfte nicht gewährleistet,“ so Wieker in dem internen Papier.

Der Generalinspekteur plädiert angesichts der „bestehenden Unterfinanzierung“ für radikale „Anpassungen“ im Rüstungsbereich. In „eingehenden Verhandlungen mit Industrie und Wirtschaft“ sollen „Eingriffe in laufende Projekte“ bewirkt werden. „Hier gilt es, die Interessen der Bundeswehr klar und deutlich zu artikulieren und den Auftragnehmern gegenüber nachdrücklich zu vertreten.“

Das Gesamtpotenzial der Einsparungen werde entscheidend davon abhängen, ob es gelingt, bei dem Verzicht auf bestimmte Rüstungsprojekte der Industrie Kompensationen an anderer Stelle anzubieten. Außerdem fordert Wieker eine Prüfung „inwieweit es möglich ist, Veräußerungserlöse für nicht mehr benötigtes bzw. im Umfang nicht mehr benötigtes neu zulaufendes Material zu erzielen.“

Wieker schlägt hiermit praktisch die einseitige Änderung bereits eingegangener Verträge mit dem Ziel vor, im Rahmen eines verminderten Beschaffungsvolumen der Industrie weniger abzukaufen, als mit ihr vereinbart worden ist. Den Erfolg dieser Notmaßnahme beurteilt er selber eher skeptisch: „Ein finanzieller Erfolg ist jedoch allenfalls mittel- und langfristig zu erwarten“.

Unterdessen hat Minister zu Guttenberg am Mittwoch vor dem Bundestags-Verteidigungsausschuss seine Vorstellungen für eine kleinere Bundeswehr der Zukunft dargelegt. Nach Handelsblatt-Informationen betonte der Minister erneut, dass dabei „auch die allgemeine Wehrpflicht auf dem Prüfstand“ stehe.

Generalinspekteur Wieker komme in seinem Bericht zu dem Schluss, „dass eine sicherheitspolitische Notwendigkeit für die allgemeine Wehrpflicht nicht mehr gegeben ist“. Der Erhalt des Pflichtdienstes sei erheblich teurer und außerdem „finanzplanerisch bislang in keiner Weise abgebildet“.

Deshalb sei eine Aussetzung der Wehrpflicht die „logische Folge einer Umfangreduzierung der Bundeswehr“, so der CSU-Politiker. Und nicht nur das: „Erst die Aussetzung der Wehrpflicht ermöglicht die notwendigen strukturellen Anpassungen“, sprich der Verkleinerung der Truppe. Stattdessen soll es ein „attraktiv ausgestaltetes Freiwilligenmodell“ geben.

Zur Truppengröße sagte zu Guttenberg, die im Wieker-Bericht zugrunde gelegte Zahl von 163 500 Soldaten sei „nur ein absoluter Mindestumfang“, über den noch diskutiert werden müsse. Für Stabilisierungsaktionen im Ausland sollen dauerhaft mindestens 10 000 statt der bisher angepeilten bis zu 14 000 Soldaten bereit stehen. Dies umfasse alle Teilstreitkräfte und erfülle die Verpflichtungen gegenüber Nato, EU und UN, so zu Guttenberg.

Quelle: Handelsblatt

Rüdiger Scheidges

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false