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Russlands Präsident Wladimir Putin ist keineswegs mehr unangefochten.

© Reuters

Russland: Der Kremlchef umgarnt die Bosse

Putin braucht die Hilfe der Wirtschaft. Deshalb plant er einen Straferlass für Unternehmer - allerdings nicht für Michail Chodorkowski.

Wladimir Putin hat am heutigen Donnerstag das Großkapital zu Besuch. Mit etwa 60 handverlesenen Verbandsvertretern, will der russische Präsident darüber sprechen, wie die 25 Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden können, die er im Wahlkampf 2012 versprochen hat. Er braucht die Unterstützung der Wirtschaftsgrößen, deshalb wird es zum Beispiel auch um Steuerbefreiung für Start-ups und günstige Kredite gehen – und um eine umfassende Amnestie für Unternehmer. So jedenfalls berichteten russische Medien unter Berufung auf hohe Beamte der Kremladministration, die direkt mit den Vorbereitungen für die Gesprächsrunde betraut waren.

Die Duma – sie allein hat laut Verfassung das Recht, eine Amnestie zu erlassen – plante einen entsprechenden Gesetzentwurf schon 2010. Das Vorhaben fand damals bei Kreml und Regierung jedoch keine Unterstützung. Nun soll die Vorlage nachgebessert werden. Dafür hatte sich am Dienstag auch Dumapräsident Sergei Naryschkin ausgesprochen.

Der unabhängige Politikwissenschaftler Dmitri Oreschkin erklärte den Sinneswandel mit dramatisch sinkenden Zustimmungsraten für Putin und die Kremlpartei „Einiges Russland“. Bisher, heißt es auch in einer Studie der Moskauer Hochschule für Ökonomie, sei der Beamtenapparat Putins wichtigste Machtstütze gewesen, die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise sowie wachsender Druck aus dem In- und Ausland würden ihn jedoch dazu zwingen, das „Regime auf eine neue soziale Basis zu stellen“.

Ob das gelingt, bleibt abzuwarten. Zumal die prominentesten Häftlinge – darunter Ex-Jukos-Chef Michail Chodorkowski – wohl kaum auf Straferlass hoffen dürfen, wie Kenner der Materie fürchten. Einschlägig Vorbestrafte, Anlagebetrüger und jene, die wegen Diebstahl zum Nachteil des Staates verurteilt wurden, sollen Medienberichten zufolge nicht unter die Regelungen fallen. Sprecher der Unternehmerverbände sagten zudem, eine Amnestie sei gut, reiche allein aber nicht aus, um das Investitionsklima zu verbessern und dadurch eine lang anhaltende Rezession abzuwenden, vor der Experten in den letzten Wochen warnten.

Zwar sieht Vize-Wirtschaftsminister Andrei Klepatsch die Entwicklung Russlands in den kommenden Jahren verhalten optimistisch, seiner Einschätzung nach soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2014 um 3,7 Prozent wachsen. Doch Experten der Moskauer Hochschule für Ökonomie sehen Russland dagegen geradewegs in eine Rezession schlittern. Die sogenannten Kernbranchen, die rund zwei Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung entfallen, schrumpften im letzten Halbjahr um durchschnittlich 4,5 Prozent. Besonders schlecht schnitten Landwirtschaft und Bauwesen ab.

Die Krise in Europa, warnte auch Wirtschaftsminister Andrei Beloussow, wirke sich negativ auf die Exporte aus. Auch sei es nicht gelungen, den Abbau von Investitionen bei Staatskonzernen – sie machen rund 50 Prozent der russischen Gesamtwirtschaftsleistung aus – durch private Investitionen auszugleichen. Ein Namensvetter des Ministers, Dmitri Belousow vom Zentrum für makroökonomische Analyse und kurzfristige Prognostizierung, verglich Russland mit einem „Geländefahrzeug, das im Matsch stecken geblieben ist: Es versinkt zwar nicht, fährt aber auch nicht“.

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