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© dpa

Saarland: Jamaika rückt näher an die Saar

Mit wem wollen die Grünen koalieren? Bei Lichte besehen sind die Regierungsaussichten für die Grünen nicht wirklich rosig. Ausgerechnet Oskar Lafontaine könnte jetzt den Ausschlag gegen Rot-Rot-Grün geben.

Hubert Ulrich galt schon früher als Vieltelefonierer. In den vergangenen Wochen aber sah man den Landesvorsitzenden der Grünen im Saarland kaum noch ohne Telefon am Ohr. Seiner drei Personen starken Fraktion ist nach den Landtagswahlen am 30. August die Rolle des Königsmachers zugefallen. Seitdem gab es elf Sondierungsgespräche mit SPD und Linken auf der einen und CDU und FDP auf der anderen Seite. In dieser Woche dann drei Regionalkonferenzen der Partei, auf der die Ergebnisse vorgestellt wurden. Abgestimmt allerdings wird erst auf dem heutigen Parteitag in Saarlouis. Und da hatte der Parteichef vieles per Telefon zu regeln – mit „seinen“ Delegierten, mit den potenziellen Koalitionspartnern und mit neugierigen Vertretern der Medien. Trotz unzähliger Nachfragen blieb Ulrich, der in der vergangenen Woche auch noch zum vierten Mal Vater wurde, hart: seine persönliche Empfehlung will er am Mittag den 158 Delegierten auf dem Parteitag mitteilen. Und die müssen dann entscheiden, mit wem die Grünen Koalitionsgespräche aufnehmen.

Ein quälendes Procedere, das am Freitag noch einmal durch die Entscheidung von Oskar Lafontaine, nicht mehr für den Fraktionsvorsitz der Linken im Bundestag zu kandidieren und stattdessen im Fall einer rot-rot-grünen Koalition das Amt des Saar-Fraktionschefs behalten zu wollen, durcheinandergewirbelt wurde. Ulrich war überrumpelt, darüber wurde in den Sondierungsgesprächen mit den Linken nie gesprochen. „Das ist ein Affront“, giftete er, „vor allem gegenüber einem Ministerpräsidenten Heiko Maas.“ Der bleibt angesichts der Entscheidung Lafontaines lieber in Deckung und lässt seinen Generalsekretär mitteilen, dies könne „als Angebot zur weiteren Stabilisierung einer möglichen rot-rot-grünen Regierungsarbeit gewertet werden.“

Überzeugend klingt das nicht, und auch Ulrich hält das für „keine glückliche Lösung“. Er fürchtet einen Neben-Ministerpräsidenten Lafontaine und ein permanentes Gerangel in der Koalition. Doch möglicherweise ist Ulrich gar nicht so böse – treibt die Ankündigung Lafontaines die Entscheidung der Saar-Grünen doch in Richtung Jamaika. Und dort, so heißt es, fühle sich Ulrich wohler. Was nicht mit Maas, dafür umso mehr mit Lafontaine und einigen Überläufern von den Grünen zur Linken zu tun hat.

Der seit 1991 amtierende Grünen- Chef kann auf eine stabile Hausmacht bauen, von den 158 Parteitags-Delegierten stammt knapp die Hälfte aus seiner Heimatstadt Saarlouis. Die eher zu Rot-Rot-Grün tendierenden Delegierten aus dem fünf Mal größeren Saarbrücken zählen nur 36 Köpfe. Wie es sonst aussieht in dem 1300 Mitglieder zählenden Landesverband, kann derzeit niemand einschätzen; die Regionalkonferenzen in dieser Woche fanden hinter verschlossenen Türen statt, Abstimmungen gab es nicht. Die Ergebnisse der Sondierungsgespräche machten jedenfalls klar, dass die Grünen gut verhandelt hatten. Die CDU signalisierte Korrekturen am umstrittenen G8-Abitur, Zustimmung zur Abschaffung der Studiengebühren und der Einrichtung von echten Ganztagsschulen. Außerdem sollen die Grünen zwei Ministerien erhalten: das Bildungsministerium und ein Ressort für Energie, Umwelt und Infrastruktur. Diese beiden Ministerien könnten die Grünen auch in einer rot-rot- grünen Koalition besetzen.

Doch bei Lichte besehen sind die Regierungsaussichten für die Grünen nicht wirklich rosig. Entweder als kleinster Partner bei Rot-Rot-Grün mit einem Ministerpräsidenten Heiko Maas und dessen Ex- Mentor Oskar Lafontaine als Mitregent. Oder mit einer etwa gleichstarken FDP in einer Jamaika-Koalition unter dem Wahlverlierer Peter Müller, dessen Ablösung sich die Grünen vor der Wahl mit Worten auf ihre Fahnen geschrieben hatten.

Angesichts dieser Alternative könnte bei den Grünen auch der Gedanke aufkommen, die Wahl zwischen Pest und Cholera zu haben und lieber auf eine Regierungsbeteiligung zu verzichten. Dann hätten SPD und CDU das „Vergnügen“, über eine große Koalition zu verhandeln.

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