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Politik: Sag mir, wo du stehst

DIE WOCHE DER SPD

Von StephanAndreas Casdorff

Was für eine Woche, und das immer wieder. Ein weiteres Mal kommen die Sozialdemokraten bei Umfragen nur noch auf 26 Prozent der Wählerstimmen. Die Partei verliert im April Tausende Mitglieder, die meisten durch Austritt, inzwischen sind es 20000 seit Jahresbeginn. Und die Agenda 2010, die alles wenden soll, wird von enorm vielen der „lieben Freundinnen und Freunde“ des Kanzlers abgelehnt. Der soll seine Pläne ändern, mildern oder ganz aufgeben, trotz seiner eindringlichen Appelle auf der Feier zum 140. Geburtstag der Sozialdemokratie. Spaß am Regieren: Selbst einem, der da angelangt ist, wo er immer hin wollte, wird er doch wohl allmählich vergehen. Gerhard Schröder – welchen Weg geht er?

Alle Blicke richten sich noch mehr auf den Kanzler. Er hat es so gewollt. Fokussierung ist Teil der Inszenierung. Wie riskant! Jeder Tag der Geburtstagswoche hat nämlich auch gezeigt, dass dieses wundervolle Bild vom Steuermann des Staates nicht stimmt. Keiner kann die Geschicke des Landes steuern wie ein Auto oder ein Schiff. Die Tatsachen belegen: Es gibt keine einfachen und eindeutigen Wechselbeziehungen zwischen staatlichen Steuerungsinstrumenten und gewünschten Ergebnissen. Es gibt nicht die Hebel, die einer betätigen muss, und alles wird besser. Regieren heißt heute: intervenieren.

Einer allein soll das schaffen? Das widerspricht – bei der Fülle der Aufgaben – der Logik. Auch der politischen, die manchmal anderen Gesetzen folgt. Denn die moderne Regierung verfolgt ja nicht nur ein Ziel, sondern mehrere Ziele gleichzeitig, die sich zum Teil auch noch widersprechen. Das Beispiel dieser Woche: Wirtschaftswachstum ist offensichtlich ein einfaches Ziel. Aber wie verhält es sich zu den anderen des so genannten magischen Mehrecks, zur Vollbeschäftigung, zur Geldwertstabilität, zur Haushaltssolidität? Das Handlungswissen, wie man die Ziele sicher, schnell und effizient erreicht, ist begrenzt; und kein Kanzler ist allmächtig. Keiner kann befehlen. Jede Regierung ist für den Erfolg darauf angewiesen, dass selbstständige Akteure mit ihr zusammenarbeiten. Daran mangelt es. Schon in der SPD.

Nun zeigt diese Woche andererseits, dass der eine an der Regierungsspitze vielleicht nicht unumschränkter Kapitän, aber auch nicht nur Passagier auf dem Staatsschiff ist. Intervention folgt der Intention: Eine Partei muss mit ihrem Spitzenmann ihre politischen Absichten darlegen und alles tun, sie umzusetzen. Denn es hat überhaupt nur Sinn, sie zu wählen, wenn sie in der Regierung die von ihr beschriebenen Ziele auch erreichen will. Wenn sie wirkungsvoll sein will. Erfolgreich regieren heißt allerdings nicht, immer umfangreicher bis in jede Einzelheit zu planen und die Durchführung der Pläne noch genauer zu kontrollieren. Vielmehr muss die Regierung möglichst schnell merken, wann die eigene, die staatliche Aktivität danebengeht. Wie beim Steuerrecht oder der Reform des Sozialstaats.

So ist das in Deutschland heute: Politisch gesetzte Inhalte werden zerteilt, zerredet, formalisiert. Regelungswut ersetzt Gestaltungsmut. Das ist dagegen der nötige neue Stil: Die offene Begegnung des Bürgers mit seinen Politikern, damit die sich in ihrem Handeln beständig direkter überprüfen können; die Amerikaner haben es vorgemacht. Dazu die offene Entscheidungssuche mit frühzeitiger Einbeziehung möglichst vieler Beteiligter, die eine beständige Information über Stand und Erfolge erlaubt, um früh nachzusteuern und staatliches Handeln wirksamer zu machen. Regieren durch Intervenieren – das ist keine Illusion. Wie es geht, machen der SPD die schwedischen und britischen Freunde vor.

Informieren, überreden, Bewegung belohnen: Auf der Geburtstagsfeier hat Schröder den Weg aufgezeigt. Jetzt hilft aber wirklich nichts mehr, jetzt muss er ihn gehen. Und die Partei mit. Der Spaß kommt hinterher.

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