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Gümbel

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Schäfer-Gümbel-Vorschlag: Robin-Hood-Reichenanleihe

Der hessische SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel schlägt eine Zwangsanleihe für Vermögende als Instrument gegen die Wirtschaftskrise vor. Eine gute Idee oder Wahlkampfgetöse?

Mit einer Zwangsanleihe könnte schnell zusätzliches Geld mobilisiert werden, so Schäfer-Gümbel. Dazu solle jeder Bürger, der mehr als 750.000 Euro Vermögen hat, dem Staat zwei Prozent für die Dauer von 15 Jahren leihen müssen. Als Zinsen werden 2,5 Prozent fällig. Die Einnahmen schätzt Schäfer-Gümbel auf 50 Milliarden Euro. Sie sollen nach Vorstellung des Wahlkämpfers vor allem in die Entwicklung und Anschaffung von Umwelttechnologien fließen.

Die Idee ist freilich nicht neu: Erst vor einigen Wochen hat die IG Metall einen ähnlichen Vorschlag unterbreitet. Gewerkschaftschef Berthold Huber forderte angesichts der Wirtschaftskrise eine Zwangsabgabe von insgesamt 100 Milliarden Euro für wohlhabende Bürger. Das Geld solle in einen Zukunftsfonds "Arbeit-Bildung-Umwelt" fließen.

Eine unter Androhung von Sanktionen erzwungene Abnahme öffentlicher Anleihen – kann so etwas funktionieren? Im Grunde handelt es sich bei der Zwangsanleihe um eine Vermögensabgabe, die jedoch – wenn auch niedrig verzinst – zurückgezahlt wird. Staatsanleihen sind festverzinsliche Schuldverschreibungen, deren Wert sich an der Kreditwürdigkeit eines Staates bemisst. Eine Staatsanleihe Islands ist auf Grund des immensen Verschuldungsgrades des kleinen Landes beispielsweise eine gewagte Anlage. Deutsche Bundesanleihen hingegen gelten als risikoarm. Der Staat ist normalerweise ein verlässlicher Schuldner und kann nicht ohne weiteres bankrott gehen.

Zwangsanleihen in der deutschen Geschichte

Auch zur Finanzierung der deutschen Einheit wurde die Einführung einer Zwangsanleihe diskutiert. Damals kam der Vorschlag aus Kreisen der Union – genauer gesagt vom damaligen CDU/CSU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble. Spitzenverdiener sollten sich mit einer zinslosen Investitionsanleihe am wirtschaftlichen Aufbau der neuen Länder beteiligen. Dies war jedoch mit dem Koalitionspartner FDP nicht zu machen.

Eine Zwangsanleihe kann verfassungsrechtlich bedenklich sein, wenn das Gebot der Gleichbehandlung verletzt wird. So wurde das Investitionshilfegesetz aus dem Jahr 1982 vom Bundesverfassungsgericht kassiert. Zwangsanleihen seien "keine Steuer im Sinne der Verfassung". Sonderabgaben dürfe sich der Gesetzgeber jedoch "nur im Rahmen der Verfolgung eines Sachzwecks bedienen, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht". Die Einnahmen müssen demnach im Interesse der Gesamtgruppe der Abgabenpflichtigen verwendet werden. Es muss somit eine Beziehung zwischen den Betroffenen und dem Zweck der Abgabeerhebung vorhanden sein. Das Investitionshilfegesetz hatte Besserverdienende mit einer unverzinslichen Abgabe zur Förderung des Wohnungsbaus belegt. Hier ließ sich ein Interesse der Abgabengruppe nicht erkennen. Ob das Verfassungsgericht den aktuellen Fall durchwinken würde, ist fraglich. Einerseits haben alle, also auch die Besserverdienenden, ein Interesse daran, dass die Wirtschaftskrise schnell vorüber ist und so milde wie möglich verläuft. Andererseits lässt sich ihnen nicht unbedingt eine besondere Beziehung zu energiesparenden Nahverkehrsbussen und Zügen sowie umwelttechnologischen Forschungsprojekten zuweisen.

Mehr Erfolg hatte hingegen Ludwig Erhard: Mit dem Investitionshilfegesetz von 1952 musste die Konsumgüterindustrie mit einer Zwangsanleihe in Höhe von einer Milliarde DM die Grundstoffindustrien subventionieren.

Der Begriff Zwangsanleihe klingt nach Notopfer, nach letztem Mittel oder gar nach Kriegszeiten. Und in der Tat: In der Vergangenheit wurden Zwangsanleihen für die Finanzierung von Kriegen genutzt. Der Käufer solcher Kriegsanleihen gibt der Regierung gewissermaßen einen Kredit für deren Aufrüstung. Wird der Krieg jedoch verloren, werden die Gelder nicht zurückgezahlt. Der unterlegene Staat hat dann womöglich Reparationsleistungen zu erbringen, die er mitunter ebenfalls mit Zwangsanleihen finanziert. So versuchte es das Deutsche Reich in den 1920er Jahren. Durch die Hyperinflation 1922/23 wurde das zugrunde liegende Geld jedoch wertlos.

Bundesregierung ist skeptisch

Zwangsanleihen haben den Beigeschmack einer Verzweiflungstat. Und auch wenn sich Schäfer-Gümbel mit dem Vorschlag als Robin Hood präsentiert, der den Reichen nehmen und den Armen geben will, so löst eine solche Abgabe nicht zwangsläufig ein Gerechtigkeitsproblem: Die Besserverdienenden würden lediglich durch eine Anleihe belastet, die sie irgendwann und sogar verzinst ausgezahlt bekommen. Viele Sparer entscheiden sich gerade in Krisenzeiten freiwillig für die vergleichsweise sichere Anlageform Staatsanleihe. Bezieher niedrigerer Einkommen hingegen werden weiter und dauerhaft durch hohe Steuern belastet, bei denen eine Rückzahlung ausgeschlossen ist.

Die Bundesregierung hat den Vorschlag von Schäfer-Gümbel inzwischen abgelehnt: "Nicht jede Äußerung im hessischen Wahlkampf findet unmittelbar Niederschlag in Berlin", sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg am Montag in Berlin. Nichts desto trotz wird sie sich angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise für ihr zweites Konjunkturpaket alle Optionen offen halten müssen – bis hin zur Robin-Hood-Reichenanleihe.

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