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US-Botschafter John Emerson und seine Familie in der weihnachtlich geschmückten Residenz in Dahlem.

© Thilo Rückeis

US-Botschafter John Emerson im Gespräch: „Schauen Sie auf Trumps Rede zur Amtseinführung“

Der scheidende US-Botschafter John Emerson über die Prioritäten des neuen amerikanischen Präsidenten – und seine persönliche Zukunft. Ein Interview.

Herr Botschafter, die Amerikaner haben Trump gewählt. Wie wird sich das deutsch-amerikanische Verhältnis verändern?

Dieses Verhältnis hat drei Ebenen. Zunächst gibt es die zwischenmenschliche Ebene. Wissenschaftler, Studenten, Geschäftsleute, Austauschschüler und Touristen reisen ständig hin und her, und 65 Millionen Amerikaner haben deutsche Wurzeln. Daran wird sich nichts ändern. Dann gibt es die ökonomische Ebene. Die USA sind seit 2015 der größte Kunde für deutsche Produkte und Dienstleistungen. Deutschland ist für die USA der größte Handelspartner in Europa. Über eine Million Menschen arbeiten für Firmen, die im jeweils anderen Land ansässig sind. Da die neue Regierung ausdrücklich die Wirtschaft unterstützen will, wird sich auch da nicht viel ändern. Der größte Wandel ist dort zu erwarten, wo es um Regierungsinteressen und Werte geht. Beim Umgang mit dem Klimawandel, dem Atomabkommen mit dem Iran, beim Kampf gegen den Terrorismus, beim Umgang mit Russland, bei der Suche nach einer humanitären Lösung für das Flüchtlingsproblem und einer politischen Lösung für Syrien, da könnte es Veränderungen geben.

Haben Sie Prognosen, welche Prioritäten gesetzt werden?

Ich empfehle, die Rede des gewählten Präsidenten bei der Amtseinführung aufmerksam zu verfolgen. In der Vergangenheit war es so, dass man da einen ganz guten Überblick bekam über die Prioritäten des neuen Präsidenten. Interessant wird es auch, wenn einen Monat später der Haushalt veröffentlicht wird. Wofür jemand Geld ausgibt, lässt immer tief blicken.

Was wissen Sie über Trumps Führungsstil?

Jeder Präsident hat seinen eigenen Führungsstil. Es gibt die durch und durch politischen Präsidenten, und solche, die eher nach Art eines CEOs führen. Sie wollen möglichst viele Meinungen hören, bevor sie Entscheidungen treffen. Der gewählte Präsident kommt aus der Wirtschaft, also würde ich in seinem Fall auf die CEO-Variante tippen. Es könnte sein, dass er einen nicht-ideologischen pragmatischen Ansatz wählt. Da er bislang nie ein öffentliches Amt bekleidet hat, ist er in dieser Hinsicht freilich ein unbeschriebenes Blatt.

Michelle Obama hat sich in einem Interview kürzlich sehr besorgt gezeigt, was die Perspektiven für Ihr Land mit Trump als Präsident sind. Teilen Sie diese Sorge?

Ich bin optimistischer. Barack Obama glaubt fest an die Jugend, die jetzt in unserem Land heranwächst, und setzt sein ganzes Vertrauen in sie. Die jungen Leute setzen sich mit Themen wie dem Klimawandel sehr bewusst auseinander. Und sie haben gerade gelernt, dass es wichtig ist, wählen zu gehen, weil Wahlen Konsequenzen haben, und weil es Konsequenzen hat, wer Präsident ist. Meine Töchter sind durch die Wahlen sehr politisiert worden.

Wie wichtig ist das Iran-Abkommen?

Eine der bedeutendsten geostrategischen Herausforderungen, die wir neben dem Klimawandel zu bewältigen haben, ist die Nichtverbreitung von Atomwaffen. Da müssen wir mit unseren Bündnispartnern eng zusammenarbeiten. Es ist sehr wichtig, das Abkommen genau einzuhalten, das gilt natürlich auch für uns.

Wie sollte es mit Russland weiter gehen?

In der heutigen Zeit ist es ganz wichtig, dass die Staatengemeinschaft mächtigen Ländern sehr deutlich macht, dass es nicht akzeptabel ist, wenn ein Land die Grenzen zu einem benachbarten, schwächeren Land einfach ändert. Man muss nicht gleich einen Krieg anfangen, aber das muss spürbare Konsequenzen haben. Da reicht es nicht zu protestieren und für ein paar Jahre Sanktionen zu verhängen. Es muss klar gemacht werden, dass so etwas nicht geht. Insgesamt ist es wichtig, an den Beziehungen zu Russland gründlich zu arbeiten.

Welches Erbe hinterlässt Obama?

Er hat die Nation und die Welt vor einer großen Wirtschaftskrise bewahrt. Ein bislang nicht genügend gewürdigter Verdienst ist die Tatsache, dass er 2008 die US-Wirtschaft vor dem Absturz bewahrte. Millionen Jobs gingen durch Bankenkrise und geplatzte Immobilien-Blase verloren. Dafür war er nicht verantwortlich. Er hinterlässt eine niedrigere Arbeitslosenquote als jeder andere Präsident, an den ich mich erinnere. Als er anfing, hatten 20 Millionen Amerikaner keine bezahlbare Krankenversicherung. Das hat er geändert. Auch nach den Amokläufen hat er mit nachdenklichen, inspirierenden Worten die Menschen beruhigt.

Sind die Vereinigten Staaten heute nicht tiefer gespalten als je zuvor? Rassendiskriminierung ist doch ein großes Problem.

Traurigerweise existiert die zwar noch in einigen Teilen unseres Landes. Aber ich würde das nicht als großes Problem sehen. Im Gegenteil, wir haben in kurzer Zeit sehr viel geschafft. Martin Luther King hätte sich vor 50 Jahren einen Präsidenten Obama mit zwei Amtszeiten und hohen Zustimmungsraten bestimmt nicht vorstellen können. Auch nicht, wie viele afroamerikanische Gouverneure, Senatoren, Bürgermeister und Top-Manager es heute gibt. Natürlich gibt es auch eine Polarisierung. Die strategische Entscheidung der Opposition, sich aus vielen Themen herauszuhalten, war schädlich. Die sozialen Medien und zum Beispiel private Nachrichtensender verleiten Menschen dazu, nur das eigene Weltbild zu festigen und alles andere auszublenden.

Wird Donald Trump als Präsident der Polarisierung entgegenwirken können?

Nicht alles, was im Wahlkampf gesagt wird, wird dann auch so umgesetzt. In der ersten Ansprache nach seiner Wahl hat der künftige Präsident angekündigt, dass er das Land wieder einen will. Wir müssen abwarten, welche Schritte er unternimmt.

Können Sie etwas Gutes über ihn sagen?

Aber natürlich. Er hat die Stimmen derer gehört, die sich von der New Economy vergessen fühlten. Er ist erfolgreicher Unternehmer. Er scheut keine Auseinandersetzung. Und er scheint eine Familie zu haben, die eng zusammenhält, und hat seine Kinder angesichts der Umstände, in denen sie groß geworden sind, gut erzogen.

Wie lange werden Sie noch als Botschafter hier bleiben?

Ich werde mit meiner Familie im Januar zurück nach Kalifornien ziehen. Wir sind ja schon dreieinhalb Jahre hier, also länger als normale Berufsdiplomaten, die in der Regel drei Jahre bleiben. Außerdem sind wir als persönliche Repräsentanten des jetzigen Präsidenten hier. Und natürlich muss der gewählte Präsident seinen eigenen Repräsentanten in Deutschland haben. Mein bisheriger Stellvertreter Kent Logsdon wird zunächst als Chargé d’Affaires die Geschäfte übernehmen.

Haben Sie schon eine Ahnung, wer ihr Nachfolger werden könnte?

Nein, es gibt ja viele Stellen zu besetzen, und vielleicht war der gewählte Präsident von seinem eigenen Sieg selber überrascht, so dass viele Posten noch gar nicht vergeben sind. Erfahrungsgemäß dauert es einige Monate, bis ein neuer Botschafter vor seinem Amtsantritt alle notwendigen Instanzen durchlaufen hat.

Was war Ihre größte Herausforderung?

Das war der 4. Juli 2014, als die Anschuldigungen über den Maulwurf beim BND in der Presse erschienen. Und die beste Erfahrung war, das zu überwinden und zu sehen, wo wir heute stehen, auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit unserer Nachrichtendienste.

Wie hat es sich angefühlt, ins Auswärtige Amt zitiert zu werden?

Das ist natürlich für keinen Botschafter angenehm. Aber der Außenminister versteht es, sehr klare Botschaften zu vermitteln und seinem Gesprächspartner trotzdem die Möglichkeit zu geben, den Raum mit Würde zu verlassen. Die Krisen fanden ja auch nicht auf einer persönlichen Ebene statt. Es ging immer um die Sache, vor allem darum, was wir tun können, um unsere so wichtigen Beziehungen zu erneuern. Das ist uns gut gelungen.

Was werden Sie am 21. Januar tun, dem Tag von Trumps Amtseinführung?

Erstmal werde ich ausschlafen. Dann werde ich eine Auszeit von zwei bis drei Monaten nehmen, um mir zu überlegen, wie ich die Erfahrungen, die ich hier in Deutschland gesammelt habe, am besten in eine neue Tätigkeit im privaten Sektor einbringen kann. Außerdem will ich mich ehrenamtlich in einer Organisation engagieren, die sich für die Stärkung der transatlantischen Beziehungen einsetzt.

Und wie kommen Sie ins neue Jahr?

Das neue Jahr werde ich mit der ganzen Familie in Berlin begrüßen und das Feuerwerk über dem Brandenburger Tor bewundern. Da wir hier inzwischen eine eigene Wohnung besitzen, kann ich jetzt sagen: „Ich bin ein Berliner.“ Und ich freue mich schon darauf, in einigen Monaten als Privatmann wieder nach Berlin zu kommen, Freunde zu treffen und die Stadt ganz unbeobachtet neu zu entdecken.

Das Interview mit John Emerson führten Elisabeth Binder, Stephan-Andreas Casdorff, Malte Lehming, Juliane Schäuble und Christoph von Marschall.

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