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Politik: Schaulaufen der Bewerber

In der Nachfolgedebatte für UN-Generalsekretär Annan heißt es in New York: Den eigentlichen Kandidaten kennt man noch nicht

Berlin - Am liebsten wüssten sie bei den UN schon im Oktober, wer ab 1. Januar 2007 neuer Chef wird. Je früher sich die fünf ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat (P 5) darauf einigen, wer Generalsekretär Kofi Annan nachfolgen soll, desto eher können sich die Mitarbeiter in New York auf weitere Jobwechsel einstellen und eine geordnete Übergabe organisieren. Nach zwei Amtszeiten und zehn Jahren an der Spitze der Weltorganisation wird Annan an diesem Dienstag zum letzten Mal eine neue UN-Generalversammlung eröffnen. Mehrere Länder haben zum Teil vor Monaten ihre Kandidaten in Stellung gebracht. Doch bisher, sagt ein westlicher Diplomat, gibt es bei UN-Mitarbeitern wie bei den Mitgliedstaaten „wenig Enthusiasmus für diese Leute“.

In einer geheimen Probeabstimmung des Sicherheitsrats vergangene Woche hat zwar der Südkoreaner Ban Ki-Moon zum zweiten Mal 14 von 15 Stimmen erhalten. Als Außenminister könnte er die politische wie administrative Erfahrung mit sich bringen, die allein zum Führen der 9000 Mitarbeiter notwendig ist, die das Sekretariat aus dem UN-Haushalt finanziert. Verweigert ihm aber ein Mitglied der P 5 – USA, China, Frankreich, Großbritannien oder Russland – beharrlich die Zustimmung, hat er keine Chance.

An zweiter Stelle, so die Probeabstimmungen eine Bedeutung haben, liegt der wohl schillerndste Bewerber für Annans Nachfolge: der Inder Shashi Tharoor, derzeit UN-Untergeneralsekretär für Kommunikation. Dass Indien einen eigenen Kandidaten ins Rennen schickt, hat überrascht, da Neu Delhi auf einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat hofft und die P 5 nie den Generalsekretär stellen. Nun wird gemunkelt, Tharoor, der nicht nur Romane schreibt, sondern auch exzellente Verbindungen in die indische Politik hat, wolle sich über die Kandidatur den Weg an die Spitze des Außenamtes ebnen. In der Tat löst sein Name weder bei manchen seiner UN-Kollegen noch bei Vertretern von Mitgliedstaaten Enthusiasmus aus. „Das generelle Gefühl ist, dass er sein Büro voller Spiegel hängen würde – um immer die Sache im Blick zu haben, die ihm am wichtigsten ist“, ist über ihn zu hören.

Weitere Kandidaten wie Thailands Vizepremier Surakiart Sathirathai, Sri Lankas Präsidentenberater Jayantha Dhanapala oder Lettlands Präsidentin Vaira Vike-Freiberga werden derzeit kaum Chancen zugestanden. Abgesehen davon, dass Freiberga wegen ihrer Moskau- kritik kaum Russlands Stimme bekommen dürfte, fehlt ihr zudem eine entscheidende Voraussetzung: China hat klar gemacht, dass es nur bei einem asiatischen Kandidaten kein Veto einlegt. Mit dem Burmesen Sithu U Thant war 1971 der bisher letzte Generalsekretär dieser Regionalgruppe aus dem Amt geschieden.

Vor zwei Wochen brachte die Kandidatur des jordanischen UN-Botschafters, Prinz Zeid, neuen Schwung in die Kandidatendebatte. Die UN rechnen Jordanien Asien zu, und der Botschafter genießt bei seinen Kollegen einen exzellenten Ruf. Dazu sind zwei Namen aus Singapur im Umlauf, Chan Heng Chee, Botschafterin in Washington, sowie Ex-Premier Goh Chock Tong. Doch in New York ist man sich allgemein sicher: „Das war noch nicht alles. Da kommt noch jemand.“

Letzten Endes gehe es darum, sagt ein langjähriger UN-Mitarbeiter, auf welchen Kandidaten sich China und die USA einigen werden. Letztere wollen einen Supermanager und weniger einen Politiker. Das wiederum finden UN-Mitarbeiter absurd. Sie erinnern an die hochpolitische Rolle, die der Generalsekretär immer wieder spielt – beispielsweise im Irakkonflikt, bei Darfur oder Libanon.

Für Ende des Monats ist eine weitere Probewahl geplant mit dem Unterschied, dass die P 5 diesmal mit andersfarbigen Zetteln abstimmen sollen. Kandidaten, bei denen so klar wird, dass ein P-5-Staat gegen sie ist, könnten dann ihre Kandidatur zurückziehen. Allerdings heißt das nicht, dass deshalb Anfang Oktober feststeht, wer ab dem kommenden Jahr die UN leiten wird. In der heftig geführten Nachfolgedebatte für Boutros Boutros-Ghali war Kofi Annan selbst erst von den USA als Kandidat ins Spiel gebracht worden, nachdem Abstimmung um Abstimmung im Sicherheitsrat fehlgeschlagen war. Erst am 13. Dezember 1996 wurde Annan gewählt – ihm blieben keine drei Wochen bis zum Amtsantritt am 1. Januar 1997. Denn erst auf die Empfehlung des Sicherheitsrats konnte ihn die Generalversammlung offiziell an die Spitze der Weltorganisation wählen.

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