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Politik: Schimpfend nimmt der „Kalif“ das Urteil entgegen Lebenslange Strafe für Islamistenführer Kaplan / Gericht in Istanbul sieht Umsturzversuch als erwiesen an

Im Gerichtssaal von Istanbul erinnerte sich Metin Kaplan an die Vorzüge der deutschen Justiz. Die habe gewusst, dass er in der Türkei keinen fairen Prozess erhalten würde, schimpfte der „Kalif von Köln“ am Montag vor dem Schwurgericht.

Im Gerichtssaal von Istanbul erinnerte sich Metin Kaplan an die Vorzüge der deutschen Justiz. Die habe gewusst, dass er in der Türkei keinen fairen Prozess erhalten würde, schimpfte der „Kalif von Köln“ am Montag vor dem Schwurgericht. Mit einem in letzter Minute eingebrachten Befangenheitsantrag gegen das Gericht versuchte Kaplan noch, das Urteil abzuwenden. Doch es half nichts: Lebenslange Haft wegen eines bewaffneten Umsturzversuches, lautete die Gerichtsentscheidung exakt ein halbes Jahr nach Prozessbeginn. Das Ende des Verfahrens ist mit der Urteilsverkündung, die sich bis in die Abendstunden hinzog, aber noch nicht erreicht: Die Verteidigung kündigte umgehend Berufung an.

Kaplans Anwälte hatten sich schon in den vergangenen Monaten darüber beschwert, dass die Verteidigung in dem Prozess niedergebügelt werde. So habe das Gericht die Vernehmung von Entlastungszeugen abgelehnt. „Von Anfang an wurden wir hier für schuldig gehalten“, beschwerte sich der „Kalif“. Insgesamt lagen 13 Anklagepunkte gegen Kaplan vor. Am schwersten wog der Vorwurf, er habe bei den Feiern zum 75jährigen Bestehen der türkischen Republik 1998 mit seiner Organisation „Kalifatsstaat“ geplant, die türkische Staatsspitze mit einem spektakulären Anschlag auszulöschen: Ein mit Sprengstoff beladenes Flugzeug sollte damals – so die Anklage – auf das Atatürk-Mausoleum in Ankara gelenkt werden, an dem sich Präsident, Regierung und Militärführung versammelt hatten.

Nichts von dem sei bewiesen, sagt die Verteidigung. Kaplan selbst betonte vor Gericht mehrmals, er sei zwar Islamist und trete für die Gründung eines Gottesstaates ein – aber Gewalt lehne er ab. Er äußere lediglich seine Meinung. Dass er in Deutschland wegen eines Mordaufrufs vier Jahre im Gefängnis saß, sagte er nicht. Der Istanbuler Prozess sei mit nur vier Verhandlungstagen sehr kurz gewesen, kritisierten Kaplans Anwälte. Da Kaplan während seiner Zeit in Deutschland und auch vor Gericht keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen die türkische Republik machte, war der Fall für seine Ankläger jedoch ohnehin klar.

Auch das Gericht scheint kaum Zweifel an der Schuld des „Kalifen“ gehabt zu haben und zeigte sich im Laufe des Verfahrens zunehmend genervt von dem Angeklagten. Der Vorsitzende Richter Metin Cetinbas hatte schon im Mai zum Ende kommen wollen, wurde damals aber von seinen Richterkollegen überstimmt, die dem Angeklagten zusätzlich Zeit für ein Schlusswort einräumten. Auch am Montag warf das Gericht der Verteidigung vor, das Verfahren in die Länge ziehen zu wollen – aus Sicht von Kaplans Anwälten ein weiterer Hinweis auf eine unfaire Vorverurteilung.

Deshalb wird der Fall Kaplan nun voraussichtlich vor das Oberste Berufungsgericht kommen, wie Verteidiger Hüsnü Tuna sagte – und möglicherweise anschließend vor den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg. Für Kaplan bedeutet das, dass er weiter auf Freispruch hoffen kann – auch wenn er auf absehbare Zeit in Untersuchungshaft bleibt. Kaplan war im vorigen Oktober aus Deutschland in die Türkei abgeschoben worden.

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