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Bundesfinanzminister Christian Lindner

© REUTERS/LIESA JOHANNSSEN

Update

Schlechte Nachrichten für die Ampel: Schätzung sagt niedrigere Steuereinnahmen als erwartet voraus

Bund, Länder und Kommunen müssen laut Steuerschätzung im kommenden Jahr mit 12,7 Milliarden Euro weniger auskommen. Doch Lindner hat bereits Pläne, um das Finanzierungsloch zu stopfen.

Stand:

Manche in der Ampel-Koalition hatten in diese Zahlen große Hoffnung gelegt: Wie viele Steuereinnahmen kommen im nächsten Jahr in die Kassen – und helfen sie womöglich, das vertrackte Problem mit dem Bundeshaushalt 2025 zu lösen?

Jetzt haben die Schätzer ihre Prognose veröffentlicht und es ist klar: Für den Haushalt von Finanzminister Christian Lindner (FDP) gibt es eine Mini-Entlastung – doch die Steuereinnahmen allein können das Problem nicht lösen.

Für den Gesamtstaat, also Bund, Länder und Kommunen zusammen, sagen die Schätzer für 2025 Steuereinnahmen von 982,4 Milliarden Euro voraus. Das ist 12,7 Milliarden Euro pessimistischer als noch im Mai. Auch für das laufende Jahr sieht es mit einem Minus von 8,7 Milliarden Euro mau aus. Bis 2028 erwarten die Schätzer nun 58,1 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen als im Frühjahr.

Nicht jede staatliche Leistung wird noch möglich sein.

Christian Lindner (FDP), Bundesfinanzminister

Für den Bund allein rechnen die Schätzer zwar mit einem Mini-Plus von 0,7 Milliarden – das liegt aber vor allem an geänderten Abführungen an die EU. Im Vergleich zur Frühjahrs-Erwartung, auf die Lindners Haushaltsentwurf aufbaut, bringt das kaum neue Spielräume. „Im Gegenteil: Wir werden zusätzlich konsolidieren müssen. Nicht jede staatliche Leistung wird noch möglich sein“, erklärte der FDP-Chef bei Vorstellung der Zahlen in Washington. „Wir brauchen wirtschaftliches Wachstum.“

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Lindner fordert Einsparungen bei Sozialausgaben

Nach der neuen Steuerschätzung sieht Bundesfinanzminister Christian Lindner keine Spielräume für „neue Ausgabenwünsche“. Die Bundesregierung müsse vielmehr ihren Konsolidierungskurs fortsetzen, anstatt „Verteilungspolitik“ zu betreiben. Mit Blick auf die nun anstehenden Schlussberatungen über den Haushalt 2025 sieht er noch ein Finanzloch in einstelliger Milliardenhöhe.

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Mit der Forderung nach weiterer Konsolidierung gab Lindner seine Linie für die anstehende Endphase der Verhandlungen über den Bundeshaushalt 2025 im Bundestag vor. Die Regierung müsse Prioritäten setzen und sei nun in dem von ihm geforderten „Herbst der Entscheidungen“ angekommen, sagte der Finanzminister, der sich per Video-Übertragung während seines USA-Besuchs äußerte. Er forderte erneut eine Stärkung des wirtschaftlichen Wachstums, um die Finanzlage des Staates zu verbessern.

Darüber hinaus bekräftigte er seine Forderung nach Einsparungen bei Sozialausgaben und insbesondere beim Bürgergeld. Dieses bleibe nach bisherigen Planungen 2025 stabil, „obwohl eigentlich eine Negativrunde im nächsten Jahr aufgrund der geringeren Inflation angezeigt wäre“, sagte Lindner. „Konkret werden wir eine neue Diskussion über weitere Maßnahmen im Bürgergeld führen müssen.“

Mützenich fordert von Scholz mehr Durchsetzungskraft

SPD-Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich hat nach der ernüchternden Steuerprognose von Bundeskanzler Scholz mehr Durchsetzungsvermögen in der Ampel-Koalition in der Finanzpolitik eingefordert. „Olaf Scholz muss diese Fragen weiterhin und noch deutlicher zur Chefsache machen“, sagte Mützenich der „Süddeutschen Zeitung“ am Donnerstag mit Blick auf notwendige Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaft.

Mützenich forderte, dafür auch die Schuldenbremse zu lockern. Diese entpuppe sich als Wachstumsbremse, sagte er. Finanzminister Lindner lehnt dies aber strikt ab.

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SPD und Grüne sehen Haushalt dennoch im Zeitplan

Der Vize-Vorsitzende der SPD-Fraktion, Achim Post, sieht trotz der sich nun verschärfenden Finanzlage den Zeitplan für die Verabschiedung des Haushalts nicht in Gefahr. Er sei zuversichtlich, dass die Verhandlungen „planmäßig Ende November im Bundestag“ abgeschlossen werden können, erklärte er.

Auch die Grünen sehen den Haushalt weiter im Zeitplan und halten die „Herausforderungen für den Bundeshaushalt“ für „beherrschbar“. Die Fraktion strebe „faire Kompromisse an“, erklärte der haushaltspolitische Sprecher, Sven-Christian Kindler. „Wichtig ist, dass neben der sozialen Sicherung im Inland auch die globale Gerechtigkeit die finanzielle Ausstattung bekommt, die Deutschlands Rolle und den Krisen in der Welt gerecht wird.“

Videos zu den Ampel-Parteien sehen Sie hier

Union hat „verfassungsrechtliche Bedenken“

Die Union wies angesichts der trüben Aussichten auch auf die Probleme für die Ampel-Regierung hin, einen verfassungskonformen Haushalt noch in diesem Jahr zu beschließen. „Die Haushaltsprobleme sind weiterhin ungelöst. Sowohl die verfassungsrechtlichen Bedenken als auch die weiterhin bestehenden Haushaltslöcher bleiben auf der politischen Agenda, da die Steuerschätzung keine Entwarnung an der Haushaltsfront gibt“, sagte CDU-Finanzexperte Christian Haase der Nachrichtenagentur AFP.

Warum fällt die Steuerschätzung so niedrig aus?

Ein maßgeblicher Grund für die Ergebnisse der Steuerschätzung sind die mauen Erwartungen der Bundesregierung an die wirtschaftliche Entwicklung. „Die Herausforderungen sind größer, als wir sie uns vielleicht eingestanden haben in den letzten Jahren“, konstatierte Wirtschaftsminister Habeck neulich.

Gerade hat er für 2024 die zweite Rezession in Folge verkündet. Die Wirtschaftsleistung schrumpft unter anderem, weil sich Unternehmen wie Privatleute angesichts der geopolitischen Lage mit Investitionen zurückhalten. Auch Streit innerhalb der Ampel trage zur Unsicherheit bei, räumte Habeck ein.

Die schlechte Konjunktur beschert Lindner durch einen Mechanismus in der Schuldenbremse allerdings auch Spielraum für neue Kredite. Rund 5,4 Milliarden Euro darf der Finanzminister im kommenden Jahr mehr aufnehmen als zunächst gedacht. Das hilft beim Stopfen der Finanzierungslücke - aber ob es sie ganz schließt, ist ungewiss, denn bei schwacher Konjunktur muss man in der Regel auch höhere Ausgaben zum Beispiel beim Bürgergeld gegenrechnen.

Ampel hat noch drei Wochen bis zur Bereinigung

Grüne und SPD haben die Hoffnung nicht aufgegeben, doch noch eine Ausnahme von der Schuldenbremse zu machen oder schuldenfinanzierte Sondertöpfe außerhalb des Haushalts einzurichten. So könnte die neue Idee von Wirtschaftsminister Robert Habeck – ein Investitionsfonds für die Wirtschaft – finanziert werden.

Lindner lehnt neue Sondervermögen ab – und hat in dieser Debatte jetzt ein neues Argument: Denn Deutschland fällt es schwer, die Schuldenregeln der EU einzuhalten. Und hier zählen Sondervermögen voll mit - anders als bei Berechnung der nationalen Schuldenbremse. In Brüssel gilt: Schulden sind Schulden.

Nach der Steuerschätzung wird es nun ernst im Bundestag. Drei Wochen haben die Haushälter noch, um die fehlenden Milliarden aufzutreiben. Dann ist Bereinigungssitzung im Haushaltsausschuss - der legendäre Showdown, der meist bis in die frühen Morgenstunden geht. Im großen Plenum soll der Etat nach jetzigem Stand Ende November beschlossen werden. (dpa, AFP)

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