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Schleswig-Holstein: Carstensen stellt die Vertrauensfrage

Die SPD-Fraktion hat die Auflösung des Kieler Landtags verhindert. Umgehend kündigte Ministerpräsident Carstensen den zweiten Weg zur Neuwahl an: die Vertrauensfrage.

Im ersten Anlauf hat es wie erwartet nicht geklappt, doch Schleswig-Holstein steuert so oder so auf eine vorgezogene Neuwahl am 27. September zu. Die Abstimmung über die Selbstauflösung des Parlaments, die seine CDU zusammen mit der gesamten Opposition gefordert hatte, hat Ministerpräsident Peter Harry Carstensen zwar verloren. Wenige Minuten später jedoch kündigte er an, dem Parlament die Vertrauensfrage stellen zu wollen.

Einen Rücktritt hatte Carstensen bislang stets ausgeschlossen, sodass er den verfrühten Urnengang nur noch mit diesem verfassungsrechtlich umstrittenen Weg erzwingen kann. Sollte er die Vertrauensfrage verlieren, kann er den Landtag auflösen und dessen Neuwahl wie geplant parallel zur Bundestagswahl ansetzen. "Der Ausgang der Abstimmung lässt mir keine andere Wahl", betonte er in einer kurzen Erklärung im Plenum. Seine Beweggründe werde er ausführlich in der zu führenden Debatte darlegen.

Aussprache und Votum soll erst am kommenden Donnerstag stattfinden. Damit gibt der Landtag den Bestimmungen der Landesverfassung statt. Demnach müssen zwischen Antrag und Abstimmung mindestens 48 Stunden liegen. Die Frage, ob er nun die vier SPD-Minister entlasse, ließ Carstensen unter Hinweis auf anstehende Beratungen zunächst unbeantwortet.

Unmittelbar nach der Parlamentssitzung stellten sich Carstensen und sein Gegner, SPD-Landes- und Fraktionschef Ralf Stegner, der Presse. Dabei vermieden sie den direkten Blickkontakt und jeder konnte sehen, wie spinnefeind sich die bisherigen Koalitionäre sind. Eine gemeinsame Regierungsarbeit der so unterschiedlichen Charaktere ist nicht mehr denkbar.

Erneut machte Carstensen deutlich, wen er für den Koalitionsbruch verantwortlich macht. Spätestens die Parlamentsdebatte am vergangenen Freitag habe doch allen gezeigt, "dass der Ministerpräsident seitens des Koalitionspartners kein Vertrauen mehr" genieße. Der SPD-Chef hatte ihn dort zum Rücktritt aufgefordert. Da alle Parteien im Parlament Neuwahlen wollten, habe es ihn doch sehr erstaunt, dass gerade die SPD dem Antrag zur Auflösung des Parlaments nun nicht zugestimmt habe.

Der CDUler räumte ein, dass die Regierung durchaus "gute Leistungen" erbracht habe. Dies hatte auch seine Stellvertreterin, SPD-Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave, in einer persönlichen Stellungnahme im Parlament betont. Die von ihm gestellte Vertrauensfrage richte sich aber "nach vorn", so Carstensen. Er habe nicht das Gefühl, dass die Regierung nach dem Streit zuletzt "noch handlungsfähig" sei.

Diese Entscheidung hatte die CDU-Fraktion auf Geheiß des Regierungschefs bereits am vergangenen Mittwoch gefällt. Da hatten die Abgeordneten beschlossen, das Bündnis mit der SPD und damit die jahrelangen, enervierenden Koalitonsquerelen zu beenden. Hintergrund sind andauernde Konflikte mit Stegner, dem die CDU mangelnde Kooperation vorwirft. Stegner wiederum moniert, dass Carstensen im Fall der Millionen-Zahlungen an den Chef der HSH Nordbank, Dirk Jens Nonnenmacher, gelogen habe. Die Boni seien keineswegs, wie von Carstensen in einem Brief an den Bank-Vorstand zu lesen sei, mit seiner Fraktion abgesprochen gewesen. Genau dies musste inzwischen auch der Ministerpräsident einräumen.

Beide Kontrahenten lassen keinen Zweifel daran, dass der Wahlkampf in Kiel längst begonnen hat. Nach Carstensen ergriff auch SPD-Chef Stegner gegenüber der Presse das Wort und griff seinerseits den Ministerpräsidenten an. Dieser habe "vorsätzlich" gehandelt – der Koalitionsbruch sei schon seit längerem mit der FDP verabredet gewesen Der Vorwurf der Unzuverlässlichkeit an seine Adresse sei daher falsch, denn noch in der vergangenen Woche habe seine Partei die Koalitionsbeschlüsse zum Landeshaushalt "eins zu eins beschlossen" und mitgetragen.

Das Nein zur Selbstauflösung des Landtags begründete Stegner mit dem unehrlichen Verhalten seines Widersachers. "Nicht das Parlament ist gescheitert, sondern der Ministerpräsident." Denn der habe die "Koalition gebrochen und nicht die Wahrheit gesagt". Der "ehrliche Weg" für Carstensen wäre deshalb der Rücktritt. Neuwahlen hingegen würde sich auch die SPD nicht widersetzen. Insofern werde man Carstensen das Vertrauen verweigern.

Bei der dann anstehenden Neuwahl hätte Stegners Partei keine Chance auf eine erneute Regierungsbeteiligung. Laut Umfragen können CDU und FDP trotz einiger Verluste mit einer klaren Mehrheit rechnen. Die SPD dagegen ist stark abgerutscht. Ihr Spitzenkandidat verbucht noch immer deutlich schlechtere Sympathiewerte als Schleswig-Holsteins Landesvater.

Quelle: ZEIT ONLINE, ms, kg, dpa, Reuters

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