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Schleswig-Holstein: Nordbank-Skandal treibt Carstensen zur Eile

Die SPD ist Schleswig-Holsteins Ministerpräsident los, den Streit über seinen Umgang mit der HSH Nordbank nicht. Die Krise der Bank wird den Wahlkampf dominieren.

Der Zeitpunkt für den Angriff war gut gewählt. Am Mittwoch, einen Tag vor der Abstimmung über die Vertrauensfrage von Peter Harry Carstensen im schleswig-holsteinischen Landtag, meldete sich sein ehemaliger Wirtschaftsminister Werner Marnette zu Wort.

"Tricksen, Tarnen und Täuschen“ warf Marnette seinem Ex-Chef Carstensen vor und meinte damit dessen Krisenmanagement im Fall der angeschlagenen HSH Nordbank vor. Marnette, der im März aus Protest gegen den Kurs der Landesregierung zurückgetreten war, prophezeite der Landesbank neue Risiken im "hohen zweistelligen Milliardenbereich“ und neue Belastungen für die Landeshaushalte von Schleswig-Holstein und Hamburg. Die Landesbank befindet sich mehrheitlich im Besitz der beiden Bundesländer, eine Minderheitsbeteiligung hält eine Investorengruppe um den amerikanischen Investor Christopher Flowers.

Bereits seit langem wird den Landesregierungen von Hamburg und Schleswig-Holstein vorgeworfen, sie würden die Öffentlichkeit nur Bruchstückhaft über die Lage der Landesbank informieren, sie hätten nicht auf frühzeitige Warnungen über eine mögliche Fehlentwicklung reagiert. Mit seinen nun wiederholten Vorwürfen nährt Marnette den Verdacht, Carstensen könnte den Termin für den Bruch der Großen Koalition und für Neuwahlen vor allem aus wahltaktischen Gründen gewählt haben. Bis zum regulären Wahltermin im Frühjahr 2010 hätten weitere Hiobsbotschaften aus der Bank Carstensens Reputation beschädigen können.

Neu sind die Vorwürfe Marnettes nicht. Zu Beginn des ungeplanten Landtagswahlkampfes werden sie im Kieler Landtag natürlich dankbar aufgegriffen. Die Diskussionen über die HSH Nordbank und die Spekulationen über deren möglicherweise düstere Zukunft wird Ministerpräsident Carstensen auch nach dem Ende der Großen Koalition nicht los. Schließlich hatte dieser zuvor im Streit um die Bonus-Zahlungen in Höhe von 2,9 Millionen Euro für den Nordbank-Chef Nonnenmacher die Große Koalition aufgekündigt und hatte sich dabei bei einer Lüge ertappen lassen.

Der ehemalige Koalitionspartner SPD ist längst auf Distanz gegangen. Kaum musste der sozialdemokratische Justizminister Uwe Döring seinen Schreibtisch räumen, machte er sich öffentlich große Sorgen über die Zukunft der Bank, sprach von "erheblichen Turbulenzen“. Nicht von ungefähr: Bereits Ende des Jahres könnte die Kernkapitalquote der Bank unter die von der Bankenaufsicht BaFin geforderte 4-Prozent-Marke sinken und die erneut in eine existentielle Krise geraten. Auch für die finanzpolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion, Monika Heinold, steht mittlerweile fest: „Carstensen lässt das Land in den Abgrund laufen.“

Aber nicht nur die Opposition, auch Hamburgs Ersten Bürgermeister Ole von Beust plagen mittlerweile offenbar Zweifel, ob richtig auf die Krise der Bank reagiert wurde. Er antwortet in einem Interview mit der Bild-Zeitung auf die Frage, ob die Zukunft der Nordbank jetzt sicher sei, ausweichend bis skeptisch: "Das weiß ich nicht. Wir haben mit der Bank ein Konzept entwickelt, das die Zukunft der Bank sichern soll. Aber es gibt keine Garantie dafür, dass es funktioniert.“

Drohen der HSH Nordbank also neue Milliardenverluste, könnten neue Kapitalhilfen notwendig werden und könnten diese das kleine und schon jetzt überschuldete Bundesland Schleswig-Holstein schwer belasten. Tickt in den Büchern der Nordbank eine finanzielle Zeitbombe?

Die Nordbank weist alle diese Spekulationen zurück, die Zukunft sei gesichert, heißt es dort, frisches Kapital brauche die Bank in den nächsten Jahren nicht. Auch Schleswig-Holsteins Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) betont, die Entwicklung der Bank liege "im Planbereich“.

Es steht also Aussage gegen Aussage und selbst Bankexperten zucken mit den Schultern. "Die Wahrheit ist, wir wissen es nicht“, sagt Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim, "es ist schwierig, zu solchen Spekulationen seriös etwas zu sagen“. Weder wüssten Außenstehende, was in den Büchern stehe, noch könnten diese vorhersagen, wie sich die Krise weiter entwickelt.

Doch die Gerüchte reißen nicht ab. Von Geschäften, die am Bankvorstand gemacht worden sein sollen, ist die Rede, von einem nicht funktionierenden Risikomanagement sowie von Politikern, die mit der Kontrolle des komplexen Bankengeschäftes völlig überfordert seien. Mittlerweile beschäftigen sich in Hamburg und Kiel nicht nur zwei parlamentarische Untersuchungsausschüsse mit den Skandalen um die Nordbank. Auch die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt wegen Untreue und Bilanzfälschung gegen Unbekannt.

Fest steht, dass die Nordbank Ende vergangenen Jahres vor der Pleite stand. Das Kreditinstitut hatte sich auf dem amerikanischen Immobilienmarkt verspekuliert. Hinzu kam, dass sich die Nordbank in den letzten Jahren zum weltweit größten Schiffsfinanzierer entwickelt hatte. Mit der Wirtschaftskrise und der weltweiten Rezession war auch dieses zweite Standbein der Bank in erhebliche Turbulenzen geraten.

Mit 30 Milliarden Euro Liquiditätsgarantien musste im November 2008 der Bankenrettungsfonds der Bundesregierung einspringen. Das Jahr schloss die Bank mit einem Verlust von 2,8 Milliarden Euro ab. Im Februar schließlich mussten die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein frisches Eigenkapital in Höhe von 3 Milliarden Euro sowie eine 10-Milliarden- Bürgschaft bereitstellen.

Der Versuch der Nordbank an den internationalen Finanzmärkten ein großes Rad zu drehen und sich auf einen Börsengang vorzubereiten, endete für die beiden Länder im finanziellen Fiasko.

Jetzt ist in Schleswig-Holstein erst einmal Wahlkampf, es wird ein Wahlkampf werden, in dem viel über die HSH Nordbank und deren Zukunft spekuliert werden wird. Ministerpräsident Carstensen geht dabei mit den vorgezogenen Neuwahlen ein hohes Risiko ein. Denn kommt nach dem 27. September heraus, dass bei der HSH Nordbank bislang nicht alle Verluste offen gelegt wurden, mögliche neue Risiken verschleiert wurden, dann wird aus Carstensens Machtspiel eine Staatsaffäre.

Quelle: ZEIT ONLINE

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