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Politik: Schmutzige Geschäfte beim Leuna-Verkauf - hat Mitterand Zahlungen an Kohl veranlasst?

Wenn Eva Joly Abstand von ihrer Arbeit sucht, schreibt sie sich beim Nationalen Institut für Hohe Verteidigungsstudien als Gasthörerin ein. Und Abstand braucht die Richterin, die die Untersuchung der Korruptionsaffäre um den Erdölkonzern Elf leitet, immer mal wieder.

Wenn Eva Joly Abstand von ihrer Arbeit sucht, schreibt sie sich beim Nationalen Institut für Hohe Verteidigungsstudien als Gasthörerin ein. Und Abstand braucht die Richterin, die die Untersuchung der Korruptionsaffäre um den Erdölkonzern Elf leitet, immer mal wieder. Strategische Aufrüstung auch. Denn während der mehr als fünfjährigen Ermittlungen war die 56-jährige Juristin häufig Pressionen, anonymen Anrufen und Drohungen ausgesetzt, wie sie sich der Autor eines Wirtschaftskrimis nicht fantasievoller ausdenken könnte.

Hoch sensible Dokumente, die Joly bei einer Hausdurchsuchung hatte beschlagnahmen lassen, waren eines Tages aus dem Panzerschrank der Pariser Kriminalpolizei entwendet worden, ohne dass irgendwelche Spuren auf einen Einbruch hindeuteten. Zwei Computer der Kripo wurden nächtens heimgesucht. Einmal fuhr die Staatsanwaltschaft der Richterin in die Parade, um die Inhaftierung eines Verdächtigen abzuwenden. Das war noch vor dem Regierungswechsel 1997. Und seit die Richterin Morddrohungen erhielt, steht sie unter ständigem Polizeischutz.

Auf vier Milliarden Franc (rund 1,3 Milliarden Mark) wird die Summe beziffert, um die der Erdölkonzern zwischen 1989 und 1993 durch Unterschlagung, Veruntreuung, Schmiergelder oder fiktive Gehälter erleichtert wurde. Möglicherweise ist es sogar mehr, wie der im Sommer im Übernahmekampf mit dem Konkurrenten TotalFina unterlegene Elf-Präsident Philippe Jaffre einmal meinte. Die 256 Millionen Franc (rund 80 Millionen Mark) Kommission, die bei der Leuna-Transaktion gezahlt wurden, sind da nur ein kleiner, allerdings nicht unwichtiger Teil der Affäre.

Doch die Aufgabe, bei deren Bewältigung Eva Joly inzwischen von einer weiteren Richterin, Laurence Vichnievsky, unterstützt wird, ist wegen ihrer politischen Dimension von ganz anderem Kaliber. Und wenn die beiden auch ungefähr erst einem Viertel der entwendeten Elf-Milliarden auf die Spur gekommen sind, so kann sich ihre bisherige Bilanz gleichwohl sehen lassen. Gegen 20 Personen wurden Untersuchungsverfahren eingeleitet. Einige von ihnen verbrachten bis zu sechs Monaten, das bei solchen Delikten zulässige Höchstmaß, in Untersuchungshaft, ehe sie sich schließlich zur Aussage bequemten und gegen Kaution freikamen.

Die prominenteste Figur auf der unternehmerischen Seite der Affäre ist der ehemalige Elf-Präsident Loik Le Floch-Prigent. Nicht weniger als zehn Anklagepunkte, von Bilanzfälschung bis zu persönlicher Bereicherung, halten ihm die Richterinnen entgegen. Seine rechte Hand, der damalige Elf-Auslandschef Alfred Sirven, ist weiter flüchtig. Reporter von Paris-Match sichteten ihn kürzlich auf den Philippinen. Kintopp-reif ist die Rolle, die Christine Deviers-Joncour, die Mätresse des früheren Außenministers und Präsidenten des Verfassungsrats, Roland Dumas, als Hure der Republik, so der Titel ihres Erinnerungsbuchs, für Elf spielte. Sie war von Sirven in der Affäre um die Fregatten für Taiwan auf Dumas angesetzt worden. Der über ein Paar handgefertigter Schuhe und einige griechische Statuetten gestolperte Intimus des verstorbenen sozialistischen Präsidenten Francois Mitterrand wird von den Richterinnen der Mittäterschaft bei der Veruntreuung von Betriebsvermögen verdächtigt. Auf der politischen Seite der Affäre war er lange Zeit die prominenteste Figur - bis am Wochenende ein Informant der ARD und des Senders "France 2" einen neuen Skandal präsentierte. Danach soll Elf im Zusammenhang mit dem Kauf der Leuna Werke 30 Millionen Mark an die CDU gezahlt haben. Initiator der Spende war angeblich kein Geringerer als Präsident Francois Mitterrand.

Die Politik hat bei Elf immer den Ausschlag gegeben, so wie die Belange des Konzerns stets auch für Frankreichs Politiker im Vordergrund standen. General Charles de Gaulle hatte Mitte der 60er Jahre den Anstoß zur Gründung des Konzerns gegeben. Als Staatsunternehmen sollte es die Erdölinteressen Frankreichs in seinen ehemaligen afrikanischen Kolonien gegen die Konkurrenz der angelsächsischen Multis wahrnehmen. Das war eine Aufgabe, die mit unternehmerischen Mitteln allein kaum zu bewältigen war, weshalb die Geschicke des neuen Konzerns damals in die Hände eines Mannes gelegt wurden, Pierre Gauillaumat, der als früherer Verteidigungsminister weniger wegen seiner Fähigkeiten als Manager als vielmehr wegen seiner im Krieg gesammelten Geheimdiensterfahrungen als Chef des gaullistischen Informationsbüros in London qualifiziert erschien.

Mit der engen Verbindung zwischen politischer Macht und unternehmerischer Führung, die erst 1994 mit der Privatisierung von Elf allmählich zu Ende gehen sollte, wurden die Voraussetzungen für ein System geschaffen, das mit dem Begriff "Filz" nur unzureichend beschrieben wäre. Indem die jeweiligen Regierungen stets Leute ihres Vertrauens an die Spitze des Unternehmens setzten, wurde dessen Kontrolle faktisch aufgehoben. So konnte sich der Konzern nach dem Motto, was gut ist für Elf, ist auch gut für Frankreich, zu einem Staat im Staate entwickeln, jenseits geltender Gesetze, stets vom Schleier der Geheimhaltung umhüllt, häufig mit diskreten Missionen betraut und immer zu verdeckten Gegenleistungen bereit. Vor allem in afrikanischen Ländern, deren Einnahmen in hohem Maße von der Erdölförderung abhängen, war Elf der starke Arm Frankreichs.

Da wusch dann auch eine Hand die andere, wie zum Beispiel im erdölreichen Gabun. Dessen Präsident Omar Bongo war 1967 von de Gaulles Frankreich in den Sattel gehoben worden, und das hat er den Nachfolgern des Generals bis heute nicht vergessen. "Frankreich ohne Afrika ist wie ein Fahrzeug ohne Treibstoff", pflegte er die Zuwendungen für die Wahlkämpfe seiner politischen "Vettern" in Paris zu begründen. Gelder von Elf flossen den Regierenden auch ohne den Umweg über Afrika zu. Für die Genehmigung des Baus von Tankstellen zum Beispiel revanchierte sich der Konzern, wie das Satire-Blatt "Le canard enchaine" schrieb, "regelmäßig" mit Zuwendungen an die jeweiligen Parteien. Von den Zahlungen, die allerdings 300 Millionen Franc im Jahr nicht überschritten, profitierten lange Zeit vor allem die Gaullisten. Das änderte sich erst mit der Berufung des Mitterrand-Freundes Le Floch-Prigent an die Elf-Spitze. Unter seiner Führung verdreifachten sich die illegalen Überweisungen, in deren Genuss dann alle Parteien kamen.

Vor der Untersuchungsrichterin sagte Le Floch-Prigent aus, er habe bei seinem Amtsantritt 1989 Mitterrand darauf hingewiesen, dass Elf den Politikern stets "gewisse Fazilitäten" gewährt habe. Wie er es damit halten solle. "Machen Sie es weiter", habe der damalige Staatspräsident ihm beschieden, "aber achten Sie darauf, dass niemand benachteiligt wird."

Wie das funktionierte, belegt etwa eine Liste von fiktiven Gehaltsempfängern, die den Richterinnen bei einer Durchsuchung der Elf-Vorstandsbüros in die Hand fielen. Unter den 44 Namen von politischen Persönlichkeiten, die im Verdacht stehen, von Elf ausgehalten worden zu sein, befinden sich Rechte wie Linke: Mitarbeiter des abtrünnigen gaullistischen Senators Pasqua, Mitglieder der rechtsliberalen UDF, ein Mitterrand-Sohn, das Wochenblatt der Sozialisten, eine Zeitschrift der Kommunisten, ein als "grüner Khmer" verschrieener Grünen-Politiker oder die Anti-Rassismus-Bewegung "SOS-Rassimus".

Ausbezahlt wurden die Gelder über die Elf-Niederlassung in Genf. Von deren Konto ließ Auslandschef Sirven auch die Kommission von 256 Millionen Franc für die Leuna-Transaktion überweisen. Wie die Zeitung "Liberation" kürzlich schrieb, sollen von demselben Konto auch zwei frühere deutsche Staatssekretäre am 21. Dezember 1992 mit 256 215 beziehungsweise 360 151 Schweizer Franken bedacht worden sein. Namen wurden nicht genannt.

Dem deutschen Kapitel des Elf-Skandals hatten die beiden Richterinnen lange Zeit nur geringe Aufmerksamkeit geschenkt. Vermutlich wurde ihr Ermittlungseifer in dieser Richtung durch Unglauben gebremst. Sie konnten sich, wie der "Canard" schrieb, einfach nicht vorstellen, dass so etwas in Deutschland möglich sein könnte. "Das ist doch dort nicht so wie in Frankreich", wurde Eva Joly von dem Blatt zitiert.

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