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Politik: Schröder gibt linken Kritikern die Schuld

Kanzler begründet im Kabinett die Vertrauensfrage mit unsicherer Mehrheit im Bundestag

Berlin Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) will die Vertrauensfrage mit dem wachsenden Widerstand aus den eigenen Reihen gegen seine Reformpolitik begründen. Nach Informationen des Tagesspiegels sagte der Regierungschef seinen Ministern am Mittwoch im vertraulichen Gespräch, angesichts der großen Aufgaben der Regierung würde es schwierig, mit nur drei Koalitionsstimmen über der Kanzlermehrheit von 301 Stimmen im Bundestag weiter Politik zu gestalten. Schröder erklärte, nach den verlorenen Landtagswahlen von Nordrhein-Westfalen Ende Mai sei die Regierung nicht mehr handlungsfähig.

Öffentlich begründen will der Kanzler sein Handeln erst unmittelbar vor der Abstimmung im Bundestag am Freitag. Gegenüber den Ministern verwies Schröder darauf, dass Bundestagsabgeordnete der Koalition vor dem Termin der NRW- Wahl öffentlich die Revision seiner Reformpolitik im Fall einer Wahlniederlage gefordert hatten. In diesem Zusammenhang brachte er seine Verwunderung darüber zum Ausdruck, dass entschiedene Kritiker seiner Politik ihm nun die Treue schwören. Vertreter der SPD-Linken hatten Schröder heftig kritisiert. Die sächsische SPD-Bundestagsabgeordnete Jelena Hoffmann sagte der „Freien Presse“, sie wolle sich der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ihres grünen Parlamentskollegen Werner Schulz anschließen.

Schröder kündigte an, er selbst werde sich bei der Abstimmung enthalten. Den Ministern sagte er, er wolle ihnen keine Empfehlung geben. Der Kanzler fügte hinzu, eine Enthaltung empfinde er nicht als Ausdruck persönlichen Misstrauens. Die neun Minister, die gleichzeitig Abgeordnete sind, erklärten dem Kanzler, sie würden sich ebenfalls enthalten.

Regierungssprecher Bela Anda wies Berichte zurück, Schröder wolle seinen Schritt mit der „mangelnden Handlungsfähigkeit“ der Regierung begründen. Stattdessen verwies er darauf, dass für den Kanzler entscheidend sei, „ob er für seine Politik vom stetigen Vertrauen der Mehrheit des Parlaments ausgehen kann“. Diese Formulierung entspricht der entscheidenden Passage des Bundesverfassungsgerichtsurteils von 1983. Vertreter von SPD und Grünen kündigten an, die Koalition werde an diesem Donnerstag im Bundestag noch ein Paket von 40 Gesetzen beschließen. Zudem gibt es in der Koalition Zweifel, ob das Karlsruher Gericht eine Neuwahl billigt. „Wir wissen nicht, ob das Gericht uns das noch einmal durchgehen lassen wird“, sagte Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck.

Der Berliner Verfassungsrechtler Philip Kunig hält Schröders Vorgehen für nicht verfassungskonform. Der korrekte Weg wäre der „Rücktritt des Kanzlers, wenn er wirklich glaubt, künftig keine Mehrheit für seine Regierungspolitik bekommen zu können“, sagte Kunig dem Tagesspiegel.

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