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Politik: Schröders erste Konsequenz aus der Europawahl: Die Steuerreform muß her

BONN/BRÜSSEL (Tsp). Bundeskanzler Schröder (SPD) will nach der "kräftigen Niederlage" von Rot-Grün bei der Europawahl Entschlossenheit demonstrieren und die Steuerreform wie geplant vorantreiben.

BONN/BRÜSSEL (Tsp). Bundeskanzler Schröder (SPD) will nach der "kräftigen Niederlage" von Rot-Grün bei der Europawahl Entschlossenheit demonstrieren und die Steuerreform wie geplant vorantreiben. Er kündigte einen Fünf-Punkte-Plan an. CDU-Chef Schäuble machte für den klaren Sieg der Union die "desaströse Politik" des Kanzlers verantwortlich. Im Streit um die Besetzung der EU-Kommission lobte Schröder die Grünen-Kandidatin Schreyer als "außerordentlich qualifiziert". Zuvor hatte Schäuble angemahnt, die Bundesregierung solle sich mit der Union über die Besetzung des Postens verständigen.

Nach Informationen des Düssseldorfer "Handelsblatts" überlegt die Bonner Koalition, die Entscheidungen über das umfassende Sparpaket für den Bundeshaushalt 2000 und die Folgejahre sowie die Grundsatzentscheidungen über die Neuregelung von Familien- und Unternehmensbesteuerung und die weiteren Ökosteuerschritte um eine Woche auf den 23. Juni vorzuziehen. Auf diese Weise solle verhindert werden, daß die Spekulationen über die Einzelmaßnahmen zu sehr ins Kraut schießen. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Clement (SPD) verteidigte den von Schröder eingeschlagenen neuen Kurs: "Die Richtung stimmt, der Weg ist richtig." Clement wie sein saarländischer Amtskollege Klimmt (SPD) stellten sich hinter die geplanten Änderungen im Sozialstaat.

Dagegen machten andere Politiker von SPD und Grünen die Politik der Bundesregierung für die Wahlniederlage verantwortlich. Bayerns SPD-Chefin Schmidt sprach von "Instinktlosigkeit": "Es war tödlich, die Rentendebatte eine Woche vor der Europawahl neu zu eröffnen. Der Magdeburger Ministerpräsident Höppner (SPD) machte den "Stolperstart" der Bundesregierung für das schlechte Abschneiden verantwortlich. Die Konsequenz müsse eine "erkennbare klare soziale Linie sein", forderte Höppner in der "Leipziger Volkszeitung". Er kritisierte in diesem Zusammenhang das Schröder-Blair-Papier. Das Profil von Gerechtigkeit und sozialer Ausgewogenheit, das der SPD zugeschrieben werde, sei hier nicht hinreichend erkennbar. Der niedersächsische Innenminister Bartling (SPD) sagte, das Hin und Her bei der Debatte um die 630-Mark-Jobs und die Einführung der Ökosteuer sei "grundsätzlich unglücklich". Der Vorstandssprecher der nordrhein-westfälischen Grünen, Priggen, forderte die Entlassung von Kanzleramtsminister Hombach (SPD). Dieser sei für die schlechte Außenwirkung der Koalition verantwortlich.

Über den möglichen SPD-Kandidaten für die EU-Kommission wollte sich Schröder nicht äußern. Zuerst solle mit Kommissionspräsident Prodi der Zuschnitt der von den Deutschen zu besetzenden Ressorts geklärt werden. Im übrigen habe er nicht die Absicht, Schäuble um Rat zu fragen, fügte Schröder hinzu. Der hatte zuvor gesagt: "Die Regierung wird klug beraten sein, mit der Union das Gespräch zu suchen". Der CDU-Chef verwies auf den Sieg der Union bei der Europawahl und auf den Wunsch Prodis, die großen Gruppierungen jedes Landes in der Kommission vertreten zu haben.

Die in den meisten EU-Ländern regierenden Sozialdemokraten erlitten bei den Europawahlen starke Verluste. Die konservativen Parteien gewannen hinzu und bilden erstmals die größte Fraktion in Straßburg. Nach einer Hochrechnung des Europaparlaments vom Montag stellt die Europäische Volkspartei (EVP), in der bürgerliche Parteien zusammengeschlossen sind, mit 226 Sitzen künftig die stärkste Fraktion des 626 Sitze umfassenden Parlaments.

Neben der SPD verzeichnete vor allem die Labour-Partei des britischen Premiers Blair dramatische Einbrüche. Entgegen dem Trend siegten die Sozialisten in Österreich, Portugal und in Frankreich. Überraschend war das Ergebnis der französischen Grünen, die mit ihrem Spitzenkandidaten Cohn-Bendit neun Sitze gewannen. Die Wahlbeteiligung lag in den meisten Ländern deutlich unter der Quote von 1994. In Deutschland lag sie bei rund 45 Prozent, nach 60 Prozent im Jahr 1994. Die Sozialisten regieren in elf von 15 EU-Ländern.

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