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Politik: Schröders Solitär: Otto Schily ist im Kabinett zunehmend isoliert, dabei braucht Rot-Grün seinen kühlen Kopf (Gastkommentar)

Neulich berichtete die "Frankfurter Allgemeine" auf ihrer ersten Seite über die angebliche Isolierung Innenminister Schilys in der Regierungskoalition. Der Kanzler habe in einem Koalitionsgespräch bemerkt, jeder könne natürlich seine profilierte Meinung haben; aber er solle sie nicht unentwegt äußern.

Neulich berichtete die "Frankfurter Allgemeine" auf ihrer ersten Seite über die angebliche Isolierung Innenminister Schilys in der Regierungskoalition. Der Kanzler habe in einem Koalitionsgespräch bemerkt, jeder könne natürlich seine profilierte Meinung haben; aber er solle sie nicht unentwegt äußern. Irgendwann habe der in wohliger Koalitions-Treue sich suhlende Kreis über den strengen Herrn Schily sogar gegluckst. Befremdliche Nachrichten.

Nun weiß man natürlich nicht, wie gut das Frankfurter Blatt informiert war. Wollen wir hoffen, dass es tendenziösen Berichten aufsaß. Schilys Steifnackigkeit ist für wichtige Schlüsselmilieus eine Garantie dafür, dass die rot-grüne Koalition auf dem Teppich bleibt. Das sollte der Kanzler auch in der verständlichen Freude über seinen Sieg im Kampf um die Steuerreform nicht vergessen.

Schily hat zwei Konflikte mit dem mittleren Management seiner Koalition. Zum einen verlangt er von der Süssmuth-Kommission zur Zuwanderung, dass auch der Asylparagraf "ohne Tabus" erörtert wird. Das ist unausweichlich, weil nur eine Minderung der über die Asylregelung einströmenden Armutsflüchtlinge überhaupt Spielraum für eine Zuwanderung von Computerexperten, Investoren oder Unternehmensgründern bietet. Man erinnere sich, dass der Innenminister einem Einwanderungsgesetz mit Skepsis gegenüberstand. Er wusste, dass rund 80 Prozent der Asylbewerber eben keine politisch Verfolgten, sondern Wirtschaftsflüchtlinge sind und dass die Grünen und der linke Flügel der SPD trotzdem eine erneute Änderung des Asylartikels 16 a des Grundgesetzes erbittert bekämpfen würden.

Das Zuwanderungsthema hat nicht Schily, sondern Gerhard Schröder höchst persönlich auf die Tagesordnung gesetzt, und zwar durch die (sinnvolle) Initiative für eine Green Card. Schily hat niemanden provozieren wollen. Er zählt nur zwei und zwei zusammen, scheut sich dann allerdings nicht, wenigstens anzudeuten, dass das Ergebnis vier sein könnte. Das sollte die Regierung ertragen.

Beim zweiten Konfliktthema - den homosexuellen Partnerschaften - ist Schilys Position für die Regierung noch wichtiger. Der Innenminister hat ausdrücklich eingeräumt, dass es sinnvoll sei, Ungerechtigkeiten gegenüber homosexuellen Lebensgemeinschaften auszuräumen. Dass er allerdings auf rechtliche Risiken verweist, ist seine Pflicht. Der Eindruck, dass die Akteure der Koalition sich bei diesem Thema laut juchzend in den rot-grünen Mainstream stürzen wie Kinder ins sommerliche Schwimmbad, ist fatal. Wenn Edmund Stoiber noch bei Kräften sein sollte, wird Gerhard Schröders SPD an dieser Front schon bald schwer zu kämpfen haben. Gut, dass es wenigstens einen gibt, der einen kühlen Kopf behält. Es wäre gerechtfertigt gewesen, ein paar steuer- oder erbrechtliche Regelungen zu Gunsten der homosexuellen Partnerschaften in einem unauffälligen Artikelgesetz unterzubringen. Die auftrumpfende Reformrhetorik ist auf diesem Feld eine Provokation des common sense, für die die Regierung Schröder noch teuer bezahlen wird.

Man muss sich um Otto Schily keine Sorgen machen. Er hat in einem langen Leben bewiesen, dass er Druck aushalten kann. Eher sorgt man sich um eine Regierung, die einen Mann wie Schily zum Solitär, zum Außenseiter macht.

Der Autor war Bundesgeschäftsführer der SPD und hat heute den Lehrstuhl für Medien und Kommunikation an der Universität St. Gallen inne. Foto: Thomas Machowina

Peter Glotz

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