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Politik: „Schulterschluss gegen die Braunen“

Grüne wollen mit FDP und Union sprechen – wenn die ihre Rechtsaußen einfangen

Die SPD hat im März einen umfangreichen „Leitfaden“ zum Kampf gegen den Rechtsextremismus vorgelegt. Die Grünen hingegen sind beim Thema kaum präsent. Warum hält sich die Partei zurück?

Das tun wir gewiss nicht. Eine Kommission aus Politikern der Grünen und Wissenschaftlern entwickelt derzeit umfassende Konzepte für den Kampf gegen den Rechtsextremismus. In Sachsen haben die Landtagsabgeordneten der Grünen maßgeblich zum Pakt der demokratischen Fraktionen beigetragen, der die NPDAbgeordneten isolieren soll. Wir hatten als einzige Partei in den Wahlkämpfen im letzten Jahr Plakate, die sich mit Rechtsextremen auseinander gesetzt haben. Der Kampf gegen die Geister der Vergangenheit ist eine zentrale Baustelle grüner Politik.

Von der Kommission war nach der Gründung im November nicht viel zu hören…

Doch. Die Kommission hat zum Beispiel vor der Landtagswahl in Kiel getagt, um dort auf das Thema Rechtsextremismus aufmerksam zu machen. Wir verfolgen einen breiten Ansatz und diskutieren über Repression, Kultur, Sozialpolitik und viele andere Punkte im Zusammenhang mit Rechtsextremismus. Bis zum Herbst wird ein Papier erstellt, mit ihm sollen die knapp 45000 Mitglieder der Grünen gewappnet werden für den Kampf gegen den Rechtsextremismus. Jedes Mitglied soll bei der Arbeit, am Stammtisch und im privaten Umfeld in der Lage sein, braune „Argumente“ auseinander zu nehmen.

Was machen die Grünen bis zum Sommer?

Wir unterstützen die von der Grünen Jugend geführte „Bildungsoffensive gegen rechts“. Dazu gibt es jetzt eine Broschüre mit einer Auflage von 15000 Stück, in der detailliert auf die Symbole, Argumente und Strukturen im Rechtsextremismus eingegangen wird.

Die Broschüre wirkt teilweise nicht gerade aktuell. Als Organisationen der rechten Szene werden die 1994 verbotene Wiking- Jugend und andere längst aufgelöste Vereinigungen vorgestellt.

Die Broschüre ist sehr umfassend und informativ, auch wenn vielleicht die von so manchen Kameradschaften ausgehende Gefahr etwas zu kurz kommt. Es werden weitere Aufklärungsmaterialien folgen.

Wie stehen die Grünen zu einem zweiten Verbotsverfahren gegen die NPD?

Jedes Mal, wenn die Verbotsdebatte hochkommt, macht sie alle anderen Ideen platt, wie der Rechtsextremismus bekämpft werden kann. Die Medien nehmen dann fast nur noch das Thema Verbot zur Kenntnis. Dennoch sollte man ein weiteres Verbotsverfahren nicht ausschließen. Aber es müsste sicher sein, dass ein neuer Anlauf nicht scheitert.

Sie haben gemeinsam mit Niels Annen vom Vorstand der SPD Stellungnahmen zum Rechtsextremismus herausgegeben. Wollen die Grünen auch andere demokratische Parteien einbeziehen?

Der Kampf gegen die Feinde der Demokratie ist nur möglich mit einem Schulterschluss aller Demokraten. Wir müssen auch mit Union und FDP verstärkt ins Gespräch kommen. Voraussetzung ist aber, dass CDU, CSU und FDP schauen, wo es bei ihnen selbst Tendenzen in Richtung rechts außen gibt. Niels Annen und ich haben jetzt öffentlich eine Denkschrift der Jungen Union Sachsen kritisiert. In der Schrift wird der demokratische Grundkonsens des „Nie wieder“ von Diktaturen jeder Art als „negativer Gründungsmythos der Bundesrepublik“ diffamiert, damit also auch „Nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz“. Leider hat sich Angela Merkel davon noch nicht distanziert.

Was werden die Grünen am 8. Mai unternehmen, wenn in Berlin tausende Neonazis den 60. Jahrestag der Befreiung umfunktionieren wollen?

Wir werden massiv präsent sein. Nicht nur beim „Tag für die Demokratie“ am Brandenburger Tor, sondern auch als Gegendemonstranten, um den Nazis keinen Raum zu lassen. Ein brauner Marsch zum Holocaust-Mahnmal muss unbedingt verhindert werden. Ich bin allerdings überzeugt, die Polizei wird die Lage im Griff haben.

Das Interview führte Frank Jansen.

Omid Nouripour (29) ist seit 2002 Mitglied des Bundesvorstands von Bündnis 90/Die Grünen. Der Deutsch-

Iraner wirkt in der

Grünen-Kommission zum Thema Rechtsextremismus mit.

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