
© IMAGO/dts Nachrichtenagentur
Schutz der kritischen Infrastruktur: Wichtiges Gesetz bleibt vorerst in der Schublade
Die SPD warnt davor, dass die Bundestagswahl zum Ziel von hybriden Angriffen werden könnte. Trotzdem will die Union Gesetze nicht mehr mittragen, die auch die öffentliche Verwaltung stärken sollen.
Stand:
Das Gesetz zum Schutz der kritischen Infrastruktur muss in dieser Legislaturperiode in der Schublade bleiben. Die Union will einem Entwurf der Ex-Ampel-Regierung zum sogenannten Kritis-Dachgesetz in den kommenden Wochen nicht mehr zur Mehrheit verhelfen. „Nach der Bundestagswahl wird es die Aufgabe der neuen Bundesregierung sein, einen neuen, ausgereiften Gesetzentwurf vorzulegen“, sagte die stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Andrea Lindholz (CSU) dem Tagesspiegel. Eigentlich hatte die rot-grüne Minderheitsregierung darauf gehofft, dass die Union den Gesetzentwurf vor der Neuwahl noch mitträgt.
Egal ob Unwetter, Sabotageakte aus dem linksradikalen politischen Spektrum oder Cyber-Angriffe aus Russland – Deutschlands kritische Infrastruktur ist zahlreichen Gefahren ausgesetzt. Das Kritis-Dachgesetz von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte sich zum Ziel gesetzt, zunächst einmal zu definieren, was überhaupt zur kritischen Infrastruktur gehört. Das können beispielsweise Zuggleise, Krankenhäuser oder Stromnetze sein. Gleichzeitig sind Mindestvorgaben für die Betreiber vorgesehen. So müssen die betroffenen Privatunternehmen und staatlichen Betreiber Notfallteams bilden, Beschäftigte schulen und den Objektschutz verstärken.
Mit dem Kritis-Dachgesetz wird eine EU-Richtlinie umgesetzt. Aus Brüssel kommt auch die artverwandte Nis-2-Richtlinie, mit der die Cyber-Sicherheit erhöht werden soll.
Das Problem für SPD und Grüne: Der Entwurf des Kritis-Dachgesetzes wurde erst am 6. November im Kabinett verabschiedet. Am Abend desselben Tages zerbrach die Ampel.
Der Sicherheit unserer kritischen Infrastruktur wäre mit diesem Gesetz aus der Feder von Frau Faeser nicht gedient.
Unions-Fraktionsvorsitzende Andrea Lindholz (CSU)
Nun zeigt die Union keinen Willen mehr, dem Gesetz in den verbleibenden Wochen vor der Bundestagswahl noch über die Hürde zu helfen. Auch wenn klar sei, dass die kritische Infrastruktur besser geschützt werden müsse, so sei ein seriöses Gesetzgebungsverfahren „gerade bei dieser komplexen Materie nun kaum mehr möglich“, sagte Unions-Fraktionsvize Lindholz mit Blick auf den Entwurf, der am vergangenen Donnerstag im Bundestag in erster Lesung beraten wurde. Die CSU-Politikerin kritisierte, dass auf die Wirtschaft „mit dem Gesetz in dieser Form ein Bürokratiemonster“ zurolle. „Der Sicherheit unserer kritischen Infrastruktur wäre mit diesem Gesetz aus der Feder von Frau Faeser nicht gedient“, lautete ihr Fazit.

© dpa/Hendrik Schmidt
Dabei hatte zuletzt der Absturz eines DHL-Frachtflugzeugs in Litauen die Sorge angesichts hybrider Angriffe verstärkt. Die Ursache für den Absturz des Flugzeugs im November bei Vilnius ist bislang ungeklärt. Litauens Generalstaatsanwaltschaft hatte erklärt, es gebe bislang keine Hinweise auf Terrorismus oder Sabotage.
Unklar sind bislang auch die Ursachen für Schäden, die im November innerhalb kurzer Zeit an zwei Glasfaserkabeln in der Ostsee aufgetreten sind. Die Kabel verlaufen zwischen Schweden und Litauen sowie zwischen Finnland und Deutschland.
„Wir befinden uns in Deutschland und Europa in einem akuten Zustand der Bedrohung – dies vor allem durch ausländische Mächte“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sebastian Hartmann, dem Tagesspiegel. Er warnte davor, dass auch die bevorstehende Neuwahl in Deutschland zum Ziel von Angriffen werden könne. Auch die öffentliche Verwaltung gehört zu den Sektoren, die mit dem Kritis-Dachgesetz geschützt werden sollen. Das Dachgesetz sei „gemeinsam mit dem Gesetz zur Umsetzung der NIS-2-Richtline zum Schutz vor Cyberangriffen der erste große Schritt, um unser Land resilienter aufzustellen“, appellierte Hartmann an die Adresse der Union.
Doch der Wunsch von SPD und Grünen, das Gesetz zum Schutz der kritischen Infrastruktur noch über die Ziellinie zu bringen, wird wohl unerfüllt bleiben. Denn Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) hat die Devise ausgegeben, dass die Unions-Fraktion „nicht das Ersatzrad an diesem verunglückten Wagen“ der Ampel-Koalition sei. Deshalb will die Union der rot-grünen Minderheitsregierung nur bei vereinzelten Projekten die Hand reichen – etwa bei der Grundgesetzänderung zum besseren Schutz des Bundesverfassungsgerichts.
- Ampelkoalition
- Bundesregierung
- Bundestagswahl
- Bundesverfassungsgericht
- CSU
- Deutscher Bundestag
- Die EU
- Friedrich Merz
- Krankenhäuser
- Nancy Faeser
- Russland
- Schule
- SPD
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: