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Politik: Schutzschild gegen China

Taiwan stimmt über künftiges Verhältnis zu Peking ab

Vor der Präsidentenwahl am kommenden Wochenende auf Taiwan setzt die Volksrepublik China auf eine neue Taktik. Statt wie in der Vergangenheit die Wähler mit Kriegsdrohungen einzuschüchtern, hält Peking sich nun auffallend zurück. Dabei drohen durch ein umstrittenes Referendum, das ebenfalls am Wahltag abgehalten wird, neue Spannungen. „Einige Leute auf Taiwan nutzen den Vorwand der Demokratie, um in Wirklichkeit ein Referendum über Taiwans Unabhängigkeit abzuhalten, das die stabile Situation an der Taiwan-Straße gefährden könnte“, erklärte Chinas Außenamtssprecher Kong Quan am Donnerstag. Die Worte aus Peking, zwei Tage vor den Präsidentschaftswahlen am Samstag auf Taiwan, waren mit Bedacht gewählt. Kong verzichtete darauf, Chinas sonst übliche Kriegsdrohung zu wiederholen, falls sich die 22 Millionen Taiwaner formal für unabhängig erklären sollten. Bereits auf dem Volkskongress Anfang März hatte Ministerpräsident Wen Jiabao sich auffallend vorsichtig zur Taiwanfrage geäußert.

Zum ThemaAttentat: Schuss auf Taiwans Präsident Porträt: Präsident Chen Shui-bian Pekings Führung, die Taiwan als abtrünnige Provinz betrachtet und auf eine Wiedervereinigung drängt, hat offenbar aus Fehlern der Vergangenheit gelernt. 1996 hatte China vor den Wahlen auf Taiwan Militärmanöver an der Küste abgehalten und dadurch den Unabhängigkeitskräften auf der Insel erst zum Sieg verholfen. Auch der amtierende Präsident Chen Shui-bian von der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) war vor vier Jahren vor allem deshalb ins Amt gekommen, weil er sich von China abgrenzte und Taiwans Identität als eigener Staat betonte.

Auch diesmal setzt Chen auf die Statusfrage, um die Wiederwahl zu sichern. In einem umstrittenen Referendum, das gleichzeitig mit der Präsidentenwahl durchgeführt wird, lässt der 54-Jährige die 16 Millionen wahlberechtigten Taiwanesen über die künftige Politik gegenüber Peking abstimmen. Zwar ging Chen nicht so weit, direkt ein Referendum über Taiwans Status und eine mögliche Unabhängigkeit abzuhalten – ein Schritt, der Peking zufolge sofort zum Krieg führen würde. Nach Kritik aus Washington milderte Chen das Referendum so weit ab, dass nur über den möglichen Aufbau eines taiwanesischen Schutzschilds gegen Chinas Raketen entschieden wird.

Trotzdem sind das Referendum und die Wahl eine Richtungsentscheidung, die das künftige Verhältnis zwischen Taiwan und China bestimmen wird. Während Chen Taiwans eigene Identität unterstreicht und eher auf Konfrontationskurs mit China geht, will Herausforderer Lien Chan von den Nationalchinesen (Guomindang) am Status quo festhalten. Sollte das Referendum mit großer Mehrheit angenommen werden, wird dies die Spannungen zwischen Peking und Taipeh erhöhen.

Harald Maass[Peking]

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