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Politik: Schwacher Start und starker Staat

WAS WILL DIE SPD?

Von StephanAndreas Casdorff

Wünsch dir was, Weihnachten naht. Die SPD könnte sich zum Beispiel wünschen, dass Olaf Scholz, ihr neuer Generalsekretär, einmal kein Apparatschik-Deutsch spricht und wirklich etwas sagt. Dass er programmatisch wird. Denn die Phobie, die inzwischen das Wort „sozialdemokratisch“ auslöst, benötigt schon eine Antwort, möglichst rasch sogar, ehe daraus ein allgemeiner Zustand wird. Scholz hat nun angekündigt, dass die SPD ein neues Programm bekommen soll, 30 Seiten in der Kurzform. Das zeigt das Problem: Programme werden nicht mit jeder Seite inhaltsstärker, eher schwächer, unklarer. Zehn Seiten täten es auch – wenn die SPD wüsste, was sie wollen soll.

Aber weil Weihnachten vor der Tür steht, darf ja jeder Wünsche äußern. Nehmen wir den nach einer Rückkehr zum Jahr 1999. Welche Ironie: In der Vergangenheit war die SPD gedanklich schon mal weiter. Damals wusste sie, oder jedenfalls diskutierte sie, dass der Wohlfahrtsstaat modernisiert werden muss, dafür aber ein neues ökonomisches Handeln die Voraussetzung ist. Was übersetzt heißt, dass Sozialdemokraten schon mal genauer wussten, warum Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben müssen.

Nun soll der Staat gleichzeitig wettbewerbs- und handlungsfähig bleiben. Wer auch morgen Wohlstand haben will, darf heute nicht alles konsumieren, lautet das Motto. 1999 hieß der Lösungsansatz dafür: eine neue „Angebotspolitik von links“. Die Idee war nicht deshalb falsch, weil sie von Bodo Hombach kam, sie war sogar ziemlich richtig, wie sich an den Wahlergebnissen ablesen ließ. Die Neue Mitte schöpfte Vertrauen, dass es Wandel geben könnte, und die Mehrheit der Wähler glaubte, dass es dabei relative Sicherheit geben kann. „Sicherheit im Wandel“ war damals der Slogan. Das gilt heute noch als Anspruch.

Wünschenswert wäre, wenn die Sozialdemokraten für den nötigen Wandel den erneuten Versuch einer Verknüpfung von Angebots- und Nachfragepolitik unternähmen. Denn darum geht es: um mehr Wachstum, und das stabil, damit auch der Staat etwas davon hat. Da ist die SPD besonders gefordert, und da hat sie ihre Chance. Ihr glauben die Wähler noch immer, dass sie ökonomischem Handeln eine soziale Perspektive geben kann. Dieses Kapital muss sie nutzen.

Ein guter Testfall ist eigentlich die Steuerpolitik. Die Erfahrungen in den USA belegen immerhin: Steuersenkungen führen nicht notwendigerweise zu weniger, sondern können zu mehr Einnahmen für den Staat führen. Mehr noch, Steuersenkungen können auf der Angebotsseite die Investitionen stärken – und Nachfrage, sprich privaten Verbrauch, hervorrufen, weil mehr Einkommen zur Verfügung steht. Auf diese Weise erhöhte sich in der Summe die so genannte gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung. Amerika hatte nach den Steuersenkungen wieder wachsende Steuereinnahmen.

Kurz gesagt: Höhere Steuern sind kein gutes Angebot. Sie lassen sich heute, wenn überhaupt, vor dem Wähler nur noch vertreten, wenn sie zu besseren Dienstleistungen und besserer Infrastruktur führen; wenn heute das Geld des Bürgers vom Staat nicht einfach konsumiert, sondern investiert wird. Etwa in Qualifikation und bessere Möglichkeiten, sich Wissen anzueignen. Das allerdings bezieht sich ausdrücklich auf die Verwendung des bestehenden Steueraufkommens – nicht auf neue Steuern.

Wirtschaft ist für den Menschen da, barer Eigennutz hilft niemandem. Aber die Politik muss der Wirtschaft erst einmal die Möglichkeiten geben, sich selbst zu helfen. Steuern können Solidarität strangulieren. Und welcher Sozialdemokrat wird sich weniger Solidarität wünschen?

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