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Politik: Schwer zu verstehen

Der Entführungsfall Osthoff wirft immer mehr Fragen auf. Die Aussagen der Archäologin selbst tragen noch zur Verwirrung bei

Erst im Oktober hatte Susanne Osthoff im nordirakischen Erbil den Mitarbeiter des kurdischen Kulturministeriums, Kanaan Mufti, von ihrer Idee überzeugt, in der Zitadelle der Stadt ein deutsches Kulturzentrum aufzubauen. Geschafft hat Susanne Osthoff das durch außerordentliche Hartnäckigkeit, denn selbst hatte sie kaum einen Cent in der Tasche. Nach der Entführung der 43-Jährigen will Kanaan Mufti von der Idee und von Susanne Osthoff aber am liebsten nichts mehr wissen, wer ihn jetzt auf die Frau anspricht, bekommt keine Antwort mehr. Viele Menschen gehen jetzt offenbar auf Distanz zu ihr, vielleicht, weil ihnen das Thema zu heikel ist.

Die beiden Interviews, die Susanne Osthoff dem arabischen Sender Al Dschasira und dem ZDF gab, sind zum Teil sehr widersprüchlich, so dass sie mehr Fragen aufwerfen als beantworten. So sagte Osthoff im Al-Dschasira-Interview: „Das Leben mit ihnen (den Entführern) war besser, als an vielen Orten, die ich besucht habe.“ Dem ZDF sagte Osthoff, sie sei von einer Gruppierung des Terroristen Abu Mussab al Sarkawi gekidnappt worden. Damit wäre Osthoff aber vermutlich die erste Geisel, die der Terrorist wieder lebend freiließ. Ihre Aussage, die Entführer wollten kein Lösegeld, sondern die Zusage für den Bau von Schulen und Hospitälern in den sunnitischen Gebieten, erscheint fragwürdig. Denn die Geiselnehmer hatten in ihrem ersten Entführungsvideo gefordert, dass Deutschland die Zusammenarbeit mit der irakischen Regierung in Bagdad einstellen solle.

Susanne Osthoff ist wie ihre Biografie: schillernd, ungewöhnlich, schwer zu verstehen. Mit gängigen Erklärungsmustern stößt man bei ihr schnell an Grenzen. Bei Gesprächen mit Osthoff im Oktober in der Stadt Erbil schien es deutlich, dass sie zu Deutschland nur noch wenig Bezug hatte und zumindest damals nicht an eine Rückkehr dachte. Sie wolle doch nicht bei Aldi arbeiten, sagte sie oft. Das Verhältnis zur Familie ist offenbar zerrüttet, seit fünf Jahren soll es keinen Kontakt mehr gegeben haben.

Im Irak wagte Susanne Osthoff Dinge, die unglaublich klangen. In der Stadt Mossul trieb sie die Sanierung des Daches einer alten Karawanserei voran, die dort im arabischen Teil der Stadt liegt. Die Stadt gilt als außerordentlich gefährlich, neben normalen Kriminellen tummeln sich dort Terroristen und Anhänger des früheren Diktators Saddam Hussein. Kaum ein Kurde überquert freiwillig die Tigrisbrücke in den arabischen Teil Mossuls. Susanne Osthoff dagegen fuhr mit dem Taxi dorthin, und zwar ganz ohne Schutz, sagen Museumsmitarbeiter in Mossul. Für das Sanierungsprojekt hatte das Auswärtige Amt der Antikenverwaltung in Bagdad 43 000 Euro bewilligt. Nach einer Entführungswarnung im Mai gegen die Projektleiterin Osthoff waren die Maßnahmen auf Eis gelegt, aber auf Drängen der Archäologin hin im Oktober wieder aufgenommen worden. Allerdings unter der Auflage der deutschen Botschaft, dass Susanne Osthoff nicht mehr selbst nach Mossul reisen und die Sanierung des Daches von Erbil aus organisieren würde. Offenbar hat sie sich daran nicht gehalten. So war Osthoff am Tag ihrer Entführung auf dem Weg nach Mossul gewesen.

Damals hatte sie nach Angaben auch von US-Sicherheitskreisen für das Projekt eine größere Geldsumme in bar bei sich. Ein deutscher Geschäftsmann, der im Irak viel mit Osthoff zu tun hatte, sagt, Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes hätten in Bagdad noch gemeinsam mit ihr gewartet, bis das Taxi aufgebrochen sei. Das Taxi selbst soll ihr Scheich Dschamal Dulaimi besorgt haben, bei dem sie im Oktober gewohnt hatte. Nach Susanne Osthoffs eigenen Angaben wurde sie dann noch in der irakischen Hauptstadt gekidnappt. Mehrere Menschen in Mossul dagegen berichten unabhängig voneinander, dass sie unmittelbar vor ihrem Verschwinden in Mossul gesehen worden sei.

Michael Clasen war im Oktober und November selbst im Irak und lernte damals Susanne Osthoff kennen. Er ist Politikredakteur bei der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Michael Clasen

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