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Politik: Schwester des Vertrauens

Praxismitarbeiter sollen Ärzte im Osten stärker von Hausbesuchen und Routineaufgaben entlasten

Von Matthias Schlegel

Berlin - Am Anfang war Ursula S. aus der erzgebirgischen Kleinstadt Olbernhau nicht sehr begeistert: Statt ihrer Hausärztin würde künftig „nur eine Schwester“ zum Hausbesuch zu der 84-Jährigen kommen. Nun, ein paar Monate später, ist die Skepsis geschwunden: Die „hausärztliche Betreuungsassistentin“, wie sie in der Fachsprache der Kassenärztlichen Vereinigung heißt, ist für die nach einer schweren Bauchspeicheldrüsenoperation geschwächte Patientin zu einer Vertrauten geworden. Sie kommt, anders als früher die Hausärztin, nach einem festen Terminplan, kontrolliert Blutdruck, Blutzucker und die Versorgung mit notwendiger Arznei. Als Einbuße an ärztlicher Betreuung empfindet Ursula S. die Regelung nicht, im Gegenteil.

Die Olbernhauer allgemeinmedizinische Gemeinschaftspraxis Weißflog/Schönfelder ist eine von fünf Praxen, die in Sachsen an einem Modellprojekt teilnehmen, durch das Hausärzte insbesondere von Routineaufgaben entlastet werden sollen. Ähnliche Tests laufen seit längerem in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Indem sie solche „arztentlastenden Strukturen“ fördern, wollen die Kassenärztlichen Vereinigungen in Bund und neuen Ländern dem gravierenden Hausärztemangel insbesondere im Osten Deutschlands gegensteuern. Wenn ein Hausarzt bestimmte Aufgaben an speziell qualifizierte Arzthelferinnen delegiere, könne er vielleicht statt 1000 künftig 1300 oder 1400 Patienten betreuen, sagte Burkhard John, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt, am Mittwoch am Rande eines Workshops in Berlin, der sich mit diesem Thema befasste. Es trage überdies dazu bei, den Mediziner zu entlasten und letztlich dadurch auch den Beruf des Hausarztes für junge Menschen wieder attraktiver zu machen.

Rund 55 000 Hausärzte gibt es in Deutschland. Und es werden immer weniger. Doch der Anteil alter Menschen an der Bevölkerung steigt. Und es gibt immer mehr chronisch Kranke. Sie machen inzwischen 20 Prozent des gesamten Patientenanteils aus, verursachen aber 80 Prozent der Kosten, die die gesetzliche Krankenversicherung aufwendet, sagte Ferdinand Gerlach, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin an der Uni Frankfurt am Main. Und es ist nicht nur eine Kostenfrage: Die Hausärzte müssen zudem 80 Prozent ihres gesamten Beratungsaufwandes den chronisch Kranken widmen. In Studien mit an Depression, Arthrose und Diabetes mellitus Erkrankten haben die Wissenschaftler festgestellt, dass qualifizierte Arzthelferinnen unter anderem durch zusätzliche, fest strukturierte Telefonkontakte zu höherer Lebensqualität der Patienten beitragen konnten.

Von den 400 000 medizinischen Fachangestellten wird nur ein Teil diese Aufgaben übernehmen können. Mit einer neuen Zusatzausbildung in 160 Stunden würden Arzthelferinnen und Krankenschwestern für diese Tätigkeit qualifiziert, sagte Sabine Rothe, Präsidentin des Verbandes der Medizinischen Fachberufe. Sie würden Hausbesuche übernehmen und Patienten in enger Abstimmung mit dem Hausarzt betreuen. Die Fachleute sind sich einig: Solche Abläufe setzen eine ganz neue Art der Teamarbeit in der jeweiligen Hausarztpraxis voraus. Und: Solche qualifizierten Arbeiten müssten auch besser als bisher bezahlt werden. „Dafür muss von den Krankenkassen mehr Geld zur Verfügung gestellt werden“, sagte Burkhard John.

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