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Politik: Seehofer schlagen, Stoiber meinen

In der CDU herrscht helle Empörung über die sozialpolitischen Alleingänge der bayerischen Schwesterpartei

Von Robert Birnbaum

Der Vorgang trägt Züge einer Kriegserklärung. CDU-Chefin Angela Merkel berichtet aus der Sitzung der Parteispitze, dann kriegt das Wort der General. Und Laurenz Meyer erklärt den Krieg – formal nur dem CSU-Vizevorsitzenden Horst Seehofer, tatsächlich ebenso gut dessen Chef Edmund Stoiber. „Helle Empörung“, sagt Meyer, herrsche über Seehofer in der CDU-Führung. Der Mann solle aufhören, sich so zu äußern wie er es Montagfrüh wieder getan habe. „Das geht so nicht weiter“, zürnt Meyer, und dann fällt ihm als ein richtig starkes Wort sogar noch ein „unerträglich“ ein, als sei von einem zweiten Martin Hohmann die Rede.

Das ist es nicht, aber das mit der hellen Empörung stimmt. In der CDU-Spitze sind sie es leid, dass die kleine bayerische Schwester sich in der Sozialpolitik als letzte Wahrerin des Sozialen gibt. Seehofer tut sich dabei besonders hervor. Am Montagmorgen, bevor die CSU-Führung in München sich zur Verabschiedung ihres eigenen Rentenkonzepts traf, hatte der Partei- und Fraktionsvize wieder einmal gegen die CDU vom Leder gezogen. Von deren Herzog-Konzept, höhnte Seehofer, seien nach den Veränderungen auf Druck des CDU-Sozialflügels „nur noch die Gräten übrig“. Die Zeiten müssten überdies vorbei sein, „dass man in der Sozialpolitik Schecks ausstellt, die dann über Steuererhöhungen finanziert werden“. Und dass im CDU-Kopfpauschalenmodell der Hausmeister zur Krankenversicherung so viel zahlen solle wie dessen Chef, sei auch keinem Menschen klar zu machen.

Nicht nur bei Merkel und Meyer, in der gesamten CDU-Spitze stieß das übel auf. Nun hätte ein Seehofer allein keine öffentliche Zurechtweisung gerechtfertigt. Doch in Wahrheit gilt der Ordnungsruf der CSU insgesamt mit Edmund Stoiber an der Spitze. In den Gremiensitzungen haben das Redner wie Peter Müller von der Saar oder Präsidiumsmitglied Hildegard Müller deutlich gemacht. Hinterher sprechen es andere ganz offen auf. „Wir haben jetzt genug Geduld mit der CSU gehabt“, sagt Vorstandsmitglied Heinrich-Wilhelm Ronsöhr. Auch Merkel selbst weist in diese Richtung: Die CDU werde den Eindruck nicht zulassen, sagt die Vorsitzende, „dass die CSU das soziale Gewissen ist, und wir sind die marktwirtschaftliche Komponente“.

Ein Eindruck, dem die CSU sehr zum Ärger der Christdemokraten am Montag mit ihrem eigenen Rentenkonzept neue Nahrung lieferte. Zwar betonte Stoiber, als ob er den Zorn in Berlin vorausgeahnt hätte, das CSU-Modell weise „keine so wesentlichen Unterschiede“ zu den CDU-Vorschlägen auf. Aber das sehen andere anders. Die CDU-Frauen protestierten umgehend gegen den CSU-Plan, Eltern in der Erziehungsphase bis zum zwölften Lebensjahr eines Kindes einen Rentenbeitragsbonus von 50 Euro einzuräumen und ihnen zugleich später eine höhere Rente zuzubilligen. Eine „Bestrafung“ von Menschen, die oft ohne eigenes Verschulden kinderlos blieben, nennt das Hildegard Müller. Von dem Beitragsbonus hält sie auch nichts: Wer keine Beiträge zahle, also jede nicht berufstätige Mutter, habe davon gar nichts. Dass das CSU-Modell, so mehrere Redner in der CDU-Spitzensitzung, nicht plausibel finanziert sei, erhöht den Unmut.

So kam es zur Kriegserklärung. Gerhard Stratthaus hingegen kam mit einem Anruf davon. Baden-Württembergs Finanzminister hatte in einem Interview den Eindruck erweckt, die Union sei beim Streit um die Steuerreform 2005 zu Zugeständnissen bereit. Falsch, sagt Merkel: Die Frage bleibe offen.

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