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Politik: Seuche Armut

Die Weltgemeinschaft will bis 2015 die Zahl der Armen halbieren. Die UN warnen: In vielen Ländern verschlechtert sich die Lage

Es gibt sie, die Erfolgsgeschichten im Kampf gegen die Armut. Seit die Dörfer im indischen Bundesstaat Kerala einen Teil des Planungsbudgets des Landes für eigene Projekte verwenden dürfen, geht es mit der Region bergauf. Bei der Gesundheitsversorgung etwa kann sich der Bundesstaat inzwischen mit den USA messen. Für die Autoren des aktuellen UN-Berichts über die menschliche Entwicklung liegt in der Selbstverantwortung der Bevölkerungen armer Länder der Schlüssel für Entwicklungserfolge. Gelder würden verantwortungsbewusster eingesetzt, und das meist für Grundbedürfnisse wie Bildung und Gesundheit – den Grundpfeilern für die Überwindung der Armut.

Die internationale Gemeinschaft will bis 2015 die Zahl derer, die in extremer Armut leben, halbieren. Dies ist das wichtigste von insgesamt acht Zielen, die sich die UN-Staaten im Jahr 2000 gesetzt haben. Dank positiver Entwicklungen in Indien und China könnte es rechnerisch erreicht werden. Dennoch schlagen die UN Alarm: In vielen Staaten haben sie „eine beispiellose Verschlechterung bei den Indizes für menschliche Entwicklung“ ausgemacht. Hauptgrund dafür seien die Auswirkungen von Aids in Teilen Afrikas.

Um den negativen Trend umzukehren, müssten sowohl die Entwicklungsländer als auch die Industriestaaten mehr Anstrengungen unternehmen als bisher. Für die Entwicklungsländer bedeutet dies vor allem, eigene Strategien zu formulieren und die Bevölkerung daran möglichst breit zu beteiligen. „Die Ziele werden nur dann zum Erfolg führen, wenn sie für die Milliarden Menschen, für die sie bestimmt sind, eine Bedeutung haben“, heißt es im UN-Bericht. Praktiker sehen das ähnlich: „Das bringt die Demokratisierung auf die unterste Ebene“, sagt Klaus Wardenbach von Venro, dem Verband nichtstaatlicher Entwicklungsorganisationen.

Die UN sehen die Industriestaaten allerdings ebenfalls in der Pflicht. Ihre Entschuldungsinitiative für die ärmsten Staaten greife zu kurz, außerdem schotteten sie ihre Agrarmärkte weiter durch Zölle und Subventionen gegen Produkte aus Entwicklungsländern ab. Nach UN-Berechnungen müssten die reichen Länder zudem ihre Entwicklungshilfe auf knapp 100 Milliarden Dollar jährlich verdoppeln, wenn die gesteckten Ziele erreicht werden sollen. Die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) räumt ein, dass Handlungsbedarf besteht: „Die internationale Gemeinschaft muss sich darüber klar werden: Will sie die notwendigen Mittel zur Bekämpfung der weltweiten Armut in großem Umfang zusätzlich mobilisieren? Ich plädiere für einen großen Kraftakt der internationalen Gemeinschaft“, sagte sie dem Tagesspiegel. „Wir sind bereit, unseren Teil beizutragen.“ Die EU werde den Anteil der öffentlichen Mittel der Entwicklungszusammenarbeit im EU-Durchschnitt von heute 0,33 Prozent auf 0,39 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2006 steigern.

Von einer Verdopplung der Hilfe ist man damit jedoch weit entfernt. Deutschland liegt mit 2,7 Prozent bisher zudem unter dem EU-Durchschnitt – aber immerhin vor den USA, die 0,12 Prozent BIPs für Entwicklungshilfe ausgeben. Das Fazit Wardenbachs: „Wenn man sieht, dass der US-Kongress seiner Regierung 80 Milliarden Dollar für den Krieg gegen den Irak zur Verfügung stellt, muss man wohl den Schluss ziehen, dass der politische Wille zur Beseitigung der Armut nicht da ist – allen Bekenntnissen zum Trotz.

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