zum Hauptinhalt

Sicherheit: Debatte um Videoüberwachung

Fahndungserfolge nach den Anschlägen von London haben die Debatte um eine Ausweitung der Videoüberwachung in Deutschland angeheizt. Brandenburgs Innenminister Schönbohm will einen umfassenden Einsatz für öffentliche Plätze.

Berlin (14.07.2005, 12:30 Uhr) - Den «umfassenden Einsatz der Videoüberwachung auf rechtsstaatlich gesicherter Basis für öffentliche Plätze, Bahnhöfe, Flughäfen und andere wichtige Bereiche» forderte Jörg Schönbohm (CDU) am Donnerstag in Potsdam. «SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz wandte sich im WDR gegen «eine flächendeckende Absicherung durch Videotechnik».

Aus den Anschlägen von Großbritannien könne man lernen, «dass Videotechnik niemanden abschreckt», sagte Wiefelspütz. «Aber eine Tat aufklären kann man damit schon.» Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) befürwortete im Hessischen Rundfunk mehr Kameras an Kriminalitätsschwerpunkten. Sie seien auch geeignet, den Terrorismus zu bekämpfen, sagte Beckstein. Er betonte aber: «Wir wollen keinen flächendeckenden Einsatz, wir wollen nicht den gläsernen Bürger Orwellscher Prägung.»

Thüringens Innenminister Karl Heinz Gasser (CDU) schließt die Überwachung öffentlicher Plätze und Bahnhöfe im Freistaat nicht prinzipiell aus. «Es ist angesichts der neuen Situation nach den Londoner Anschlägen grundsätzlich kein Tabu», sagte Gasser. Allerdings müsse dabei mit Augenmaß vorgegangen werden. Der schleswig-holsteinische Innenstaatssekretär Ulrich Lorenz sagte der dpa: «Anschläge wie in London kann man durch Videoüberwachung nicht verhindern, sie kann aber ein Hilfsmittel bei der Aufklärung sein.»

Videoüberwachung ist in Deutschland durch die Polizeigesetze der Länder und das Bundesdatenschutzgesetz geregelt. Eine flächendeckende Überwachung ist nach dem so genannten Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1983 nicht zulässig. «Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung», heißt es hier, «wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß.»

Ins Zentrum der Sicherheitsdebatte rücken auch die Überwachung der muslimischen Gemeinden in Deutschland, eine längere Speicherung von Verbindungsdaten von Telefonen und die rasche Einrichtung einer Anti-Terror-Datei. In der «Berliner Zeitung» forderte Beckstein, «dass wir religiöse Fanatiker noch stärker überwachen müssen». Es sei beunruhigend, dass wohl erstmals in Europa Anschläge von Selbstmordattentätern verübt worden seien. «Dort, wo extremistisches Gedankengut gepredigt wird, müssen wir auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln präsent sein.»

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) forderte, die geplante Anti-Terror-Datei in einer Sondersitzung des Bundestags im Sommer zu beraten. Rot-Grün sind sich grundsätzlich einig über eine Index-Datei mit Fundstellenangaben über Behördeninformationen zu Terrorverdächtigen.

Der Grünen-Innenexperte Volker Beck wandte sich gegen Forderungen einer längeren Speicherung von Telefondaten. Ihn erscheine es unverhältnismäßig, dass alle Menschen hinnehmen müssen, «dass ihre Telekommunikationsdaten für kriminalistische Zwecke auf Vorrat gespeichert werden», sagte er im RBB. (tso)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false