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Politik: Sicherungsverwahrung für Schwerverbrecher ab 14 Jahre

Kabinett billigt Gesetz / Zypries sieht weniger als zehn Jugendliche pro Jahr betroffen / Experten: Bruch mit Erziehungsgedanken

Von Hans Monath

Berlin - Die Justiz soll nach dem Willen der Bundesregierung künftig auch jugendliche Gewalttäter nach Verbüßen ihrer Strafe einsperren können, wenn von ihnen eine hohe Gefahr ausgeht. Das Kabinett hat am Mittwoch einen Gesetzentwurf zur nachträglichen Sicherungsverwahrung für Jugendliche ab 14 Jahren beschlossen. Die Sicherungsverwahrung sei eine der schärfsten staatlichen Sanktionen und dürfe daher gerade bei jungen Menschen immer nur „ultima ratio“, das letzte Mittel, sein, sagte Justizministerin Brigitte Zypries (SPD).

Das neue Gesetz werde voraussichtlich eine „verschwindend geringe Zahl“ von weniger als zehn Tätern pro Jahr treffen. Voraussetzung für eine solche Entscheidung ist, dass der Täter wegen schwerster Gewaltverbrechen, Sexualdelikte, Raub- oder Erpressung mit Todesfolge zu mindestens sieben Jahren Jugendhaft verurteilt worden ist. Zwei Sachverständige müssen ihm außerdem zum Ende seiner Haft bescheinigen, dass von ihm weiter eine Gefahr ausgeht. Anders als die Sicherungsverwahrung für Erwachsene kann diese Maßnahme für Jugendliche nur nach Haftverbüßung verhängt werden. Statt wie bei Erwachsenen nur alle zwei Jahre wird die Maßnahme bei Jugendlichen zudem jährlich geprüft.

Mit dem neuen Gesetz erfüllt die Bundesregierung eine Festlegung des Koalitionsvertrags. Zur Begründung sagte Zypries, laut Experten würden schwerste Straftaten von immer jüngeren Menschen begangen. Mit entsprechendem Gefährdungspotenzial könnten diese Extremfälle eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit darstellen. Strafbares Verhalten sei bei Jugendlichen häufig nur ein Abschnitt ihrer noch nicht abgeschlossenen Entwicklung, sagte Zypries. Auch müsse berücksichtigt werden, dass es bei Jugendlichen Aussichten auf eine positive Entwicklung im Vollzug einer Jugendstrafe gebe.

Als Beispiel nannte das Bundesjustizministerium den Fall eines 18-Jährigen, der zu zehn Jahren Jugendstrafe verurteilt wurde, weil er eine Bekannte in seine Wohnung gelockt, vergewaltigt und getötet hatte. Im Strafvollzug war er aggressiv gegenüber Gefangenen und Anstaltspersonal, an Therapieangeboten nahm er nicht teil. Nach dem Absitzen seiner Strafe, von der ihm nichts erlassen wird, halten Anstaltspsychologin und -leitung ihn nach wie vor für hochgefährlich.

Während die hessische CDU-Landesregierung moniert, dass die Regelung nicht weit genug gehe, ist der Entwurf von der Linksfraktion heftig kritisiert worden. Sie wirft der Bundesregierung vor, populistische Politik auf Kosten Jugendlicher zu betreiben. „Die Philosophie des Gesetzentwurfes lautet: Wegsperren und Vergessen“, sagte die kinder- und jugendpolitische Sprecherin Diana Golze. Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Jörg van Essen sagte, Prognoseentscheidungen seien bei Jugendlichen besonders schwierig.

Von Experten wird die Ausdehnung der Sicherungsverwahrung auf Jugendliche kritisch betrachtet. Diese stelle einen Bruch mit dem Erziehungsgedanken dar, der im Jugendstrafrecht im Vordergrund stehen müsse, sagte der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Christoph Frank, dem Tagesspiegel. Gerade wenn ein Jugendlicher viele Jahre im Gefängnis verbracht habe, sei eine Beurteilung seiner Gefährlichkeit nach einer Entlassung äußerst unsicher. Zwar habe die Gesellschaft ein Interesse, vor gefährlichen Tätern geschützt zu werden, im Einzelfall aber könne ein Gesetz ohnehin nicht garantieren, ob die richtige Entscheidung über eine Entlassung getroffen werde. Auch der Berliner Kriminologe Claudius Ohder kritisierte den Entwurf. Ein Jugendlicher müsse noch zu viele Entwicklungsphasen durchlaufen, um sein künftiges Verhalten einschätzen zu können, so Ohder. „In der Praxis dürfte das Thema nachträgliche Sicherungsverwahrung von Jugendlichen aber ohnehin kaum eine Rolle spielen.“ Schwere Delikte, wie der Gesetzesentwurf sie voraussetze kämen bei Jugendlichen nur selten vor.

Offen ist, ob die nachträgliche Sicherungsverwahrung bei Jugendlichen die letzte gesetzliche Verschärfung der Regelungen zum Schutz vor potenziellen Straftätern bleiben wird. Auch bei Erwachsenen sind diese in den vergangenen Jahren strenger geworden. Zudem ist die Bereitschaft der Gerichte gewachsen, im Einzelfall zu solchen Maßnahmen zu greifen. Während 1995 in nur 185 Fällen eine Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, waren es 2006 schon 375 Fälle.

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