zum Hauptinhalt

Politik: Sieben Jahre Haft für Neonazi Wiese

Wegen Rädelsführerschaft einer Terrorvereinigung

Von Frank Jansen

Bis zuletzt mimt er den harten Nationalisten. Die beiden geständigen Ex-Kameraden müssten jetzt „ihr Leben alleine leben“, höhnt Martin Wiese, „ohne Ehre, ohne Stolz“. Dann stellt der bullige Glatzkopf die Krücken beiseite, die er seit einem Unfall beim Volleyball im Gefängnis braucht, setzt sich und verschränkt die Arme. Dass er in wenigen Minuten in einem spektakulären Terrorprozess verurteilt wird, scheint Wiese egal zu sein.

Nach einem knappen halben Jahr endet am Mittwochmittag im Münchner Justizzentrum die Hauptverhandlung gegen Wiese und drei weitere Männer, die ein „Viertes Reich“ herbeibomben wollten. Die Angeklagten hatten sich mit anderen Neonazis innerhalb der Münchner „Kameradschaft Süd“ zu einer konspirativ agierenden „Schutzgruppe“ vereint, Sprengstoff und Waffen besorgte sich die Gruppe in Brandenburg, Polen und Mecklenburg-Vorpommern. Und es wurde über einen Anschlag auf die Baustelle des neuen jüdischen Gemeindezentrums in München schwadroniert. Im September 2003 flog die Gruppe auf. „Schutzgruppen“-Chef Wiese und seine Kumpane wanderten in Haft.

Von der öffentlichen Aufregung über den Fall will sich Bernd von Heintschel-Heinegg, Vorsitzender Richter des 6. Strafsenats am Bayerischen Obersten Landesgericht, nicht beeinflussen lassen. So verkündet er das Urteil fast schon demonstrativ in einer höflichen Tonart. Die Strafen sind allerdings keine Kleinigkeiten. Wiese, 29, erhält sieben Jahre Haft wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung, außerdem ahndet der Senat den unerlaubten Besitz von Waffen und Sprengstoff. Karl-Heinz St., 24, der wie Wiese kahl geschoren auftritt und auch weiter zu ihm hält, muss für die Mitgliedschaft in der Terrorgruppe vier Jahre und drei Monate verbüßen.

Alexander M., 28, einst Wieses Stellvertreter und jetzt reuig, wird zu fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Der ebenfalls einsichtige David Sch., 22, kommt mit zwei Jahren und drei Monaten Jugendstrafe davon. Er verlässt den Saal, wie er gekommen ist – als freier Mann. Im März hatte er ein Geständnis abgelegt, daraufhin entließ ihn das Gericht aus der Untersuchungshaft.

Die „Schutzgruppe“ habe „mit einer blutigen Revolution“ die freiheitlich-demokratische Grundordnung beseitigen wollen, sagt Richter Heintschel-Heinegg in der Urteilsbegründung. Ziel sei „die Einführung eines Staatssystems nationalsozialistischer Prägung“ gewesen. Wiese habe behauptet, er wollte die Grundsteinlegung für das jüdische Gemeindezentrum „sprengen“, doch seien „keine konkretisierten Anschlagspläne“ zu erkennen. Anderenfalls hätte der Senat „andere Strafen verhängt“, sagt Heintschel-Heinegg. Dennoch nennt er die „Schutzgruppe“ eine terroristische Vereinigung. Sie sei „auf den Zweck hin konzipiert worden“, schwere Straftaten zu begehen, „bis zu Mord und Totschlag“. Heintschel-Heinegg betont, beim Terrorismusparagrafen 129 a „greift die Strafbarkeit bereits weit im Vorfeld“, auch wenn es nicht zu Anschlägen kommt.

Im vorangegangenen Prozess gegen vier weitere Ex-Mitglieder der „Schutzgruppe“ und einen Brandenburger Unterstützer hatte derselbe Strafsenat Anfang April Bewährungsstrafen zwischen 16 und 22 Monaten verhängt. Die vier ehemaligen Schutzgrüppler wurden wegen Mitgliedschaft in einer Terrorgruppe verurteilt. Die Bundesanwaltschaft zeigt sich mit dem Ausgang der Verfahren zufrieden. Entscheidend sei die Verurteilung wegen des Terrorvorwurfs, sagt Bundesanwalt Bernd Steudl. „Die Botschaft ist, dass sich unser Rechtsstaat wehrhaft zeigt.“ Da komme es nicht so sehr darauf an, ob Wiese ein Jahr mehr oder weniger erhalte. Die Bundesanwaltschaft hatte für Wiese acht Jahre Haft beantragt. Dessen Verteidiger, der Szene-Anwalt Günther Herzogenrath-Amelung, akzeptiert den Richterspruch zum Terror nicht: „Das ist ein Fehlurteil.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false