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Politik: Sieben plus x

Im Nordosten marschiert die NPD auf – Politik und Verfassungsschutz befürchten Einzug in den Landtag

Von Frank Jansen

Schwarz-weiß-rote Fahnen wehen, Glatzköpfe tragen T-Shirts mit martialischen Aufschriften wie „Kraft für Deutschland“ und „Tätervolk“ zur Schau. Mehr als 2000 Rechtsextremisten haben sich hinter dem Rostocker Hauptbahnhof versammelt, um am 1. Mai das übliche Aufmarschspektakel zu präsentieren – und den Auftakt zum Wahlkampf der NPD in Mecklenburg-Vorpommern. Der neue Landtag wird zwar erst im September bestimmt, aber der Maifeiertag ist eine günstige Gelegenheit. Denn mitten in der braunen Masse steht der „Star“ der Partei, das ehemalige WASG-Vorstandsmitglied Andreas Wagner. Etwas verloren läuft der schmale, bieder gekleidete und nahezu kahlköpfige Kettenraucher zwischen all den starken Kerlen herum. Auch wenn ihn zunächst kaum jemand beachtet – der Überläufer Wagner, so hofft die NPD, werde ihre soziale Agitation in Mecklenburg-Vorpommern noch stärker auf Touren bringen. Damit die Partei bei der Wahl ihr Ziel erreicht, das Spitzenkandidat Udo Pastörs am Montag markig verkündet: „Ganz klar sieben Prozent plus x.“

Andreas Wagner, der vergangene Woche mit seinem Absprung von der WASG in Richtung NPD reichlich Wirbel verursacht hat, hält sich zurück. Er tritt am Maifeiertag nicht, wie von der NPD angekündigt, in die Partei ein. Aber „in naher Zukunft“ sei es so weit, sagt er dem Tagesspiegel. Zunächst werde er als sozialpolitischer Berater der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag tätig werden. Die Öffentlichkeit identifiziere die NPD nur mit Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, „jetzt ziehen wir der Partei auch die Sozialpolitik ein“, sagt Wagner. Was das genau heißen soll, „muss im Einzelnen noch ausgearbeitet werden“. Jedenfalls habe er die WASG verlassen, weil er „den Ausverkauf an die PDS“ nicht mittragen wollte. Nun versuche er mit der NPD, soziale Marktwirtschaft zu erreichen, „also Arbeit für alle und bezahlbare Mieten“.

Dass zumindest Teile der NPD und die verbündeten Neonazis weit mehr anstreben, bis hin zum Wechsel des politischen Systems, scheint Wagner nicht zu irritieren. Auf die Frage, wie er die in der Partei zu hörende Verehrung Adolf Hitlers empfinde, hebt Wagner die Schultern – „weiß ich nicht, hat bei mir noch keiner gemacht“. Was hält er selbst von Hitler? „Soweit ich weiß, ist der 1945 gestorben.“ Und was war vorher? „Vorher war er einmal der Staatspräsident oder so, er hat die Regierung geleitet.“ Wagner zieht an seiner Zigarette, „diese Fragen interessieren mich nicht“.

Die Demokraten in Mecklenburg-Vorpommern befürchten, bald auch im Landtag mit der Glorifizierung des Nationalsozialismus konfrontiert zu werden. Die Sorge, der NPD könnte wie in Sachsen der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde gelingen, ist groß. Das Ausmaß des Unbehagens lässt sich am Verhalten der CDU und des Verfassungsschutzes ablesen. Die Christdemokraten haben vor dem 1. Mai mit dem Erzgegner PDS einen Aufruf gegen die rechtsextreme Demonstration unterzeichnet. Und im Jahresbericht 2005 des Verfassungsschutzes findet sich eine für die Behörde untypische Wahlprognose. Für die Einschätzung der NPD, den Einzug in den Landtag zu schaffen, sprächen mehrere Aspekte, heißt es. Genannt wird ein „hoher Motivationsschub“ durch die örtlich zweistelligen Ergebnisse bei der Bundestagswahl – da scheine „eine Einflussnahme auf Teile der Bevölkerung gelungen zu sein“, in einem Maße, dass „sich eine Stammwählerschaft herausgebildet hat, die auch ideologisch mit der NPD übereinstimmt“. Diesen Trend will Andreas Wagner verstärken. Denn die PDS betreibe, wo sie mitregiere, „Sozialabbau sondergleichen“.

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