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Politik: Skopjes Angst vor dem Tag danach

Am Sonntag wird in Mazedonien gewählt. Das Land steht vor einem Regierungswechsel – und vielleicht auch vor neuer Gewalt

Von Gemma Pörzgen, Skopje

Mazedonien steht vor einem politischen Wechsel. Bei den Parlamentswahlen am kommenden Sonntag sehen Umfragen die 1998 abgewählte Sozialdemokratische Union (SDSM) des früheren Regierungschefs Branko Crvenkovski vorn. Der jetzigen Regierung unter Ministerpräsident Ljubco Georgievski werden nur geringe Chancen eingeräumt, ihre Koalitionsregierung mit der Demokratischen Partei der Albaner (DPA) und der Liberalen Partei (LPM) fortzusetzen.

„Wir Mazedonier wählen immer dagegen, aber niemals für etwas“, sagt Zoran Jachev, der in der Hauptstadt Skopje für die unabhängige Denkfabrik „Forum" als politischer Analyst tätig ist. Schließlich ist es gerade mal vier Jahre her, dass die Wähler die Sozialdemokraten wegen Misswirtschaft enttäuscht abstraften.

Doch die Mazedonier sind unzufrieden. Sie bemängeln die hohe Arbeitslosigkeit, die niedrigen Löhne und die sichtbare Bereicherung von Regierungsmitglieder an der missglückten Privatisierung. Selbst die verstärkte nationalistische Rhetorik der Regierung in den vergangenen Wochen kann nicht mehr überzeugen. Schließlich kreiden viele slawische Mazedonier dem Premier an, dass in seiner Amtszeit das Land fast in den Bürgerkrieg schlitterte. Das international vermittelte All-Parteien-Friedensabkommen von Ohrid im August 2001 werten viele als Ausverkauf ihres Staates.

Neue Anschläge auf die Polizei – zuletzt wurde am Donnerstag in Tetovo ein albanischer Beamter erschossen – und Entführungen durch extremistische Albanergruppen haben die Spannungen vor den Wahlen weiter erhöht. Jachev beklagt das angespannte politische Klima. Er bekam selbst in diesen Tagen eine Vorladung zum „Informationsgespräch“ bei der Polizei. Auch der Druck der politischen Führung auf die Medien hat zugenommen. „Vielleicht bleibt es sogar bis zum Wahltag friedlich, aber ich habe vor allem Angst vor den Tagen danach.“

Auch die Vize-Präsidentin der SDSM, Radmila Sekerinska, befürchtet, dass die Wahlen nicht fair und frei verlaufen. „Es gibt entweder echte Wahlen oder Unruhen“, glaubt die Spitzenpolitikerin. Georgievski ist nach ihrer Einschätzung unberechenbar, da ihm nach den Wahlen wegen massiver Korruptionsvorwürfe eine Gefängnisstrafe drohe. Sekerinska erwartet vor allem in ländlichen Gebieten Probleme in den Wahllokalen: „Die Leute sind dort leichter unter Druck zu setzen und zu verängstigen.“ Diesmal sind allein 750 Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im Land, um die Wahlen zum Parlament zu überwachen.

Doch selbst bei einem geordneten Wahlverlauf erwarten Beobachter eine schwierige Regierungsbildung. Sollte die SDSM stärkste Partei werden, steht sie bei der Wahl ihres albanischen Koalitionspartners vor einem Dilemma. Ein Zusammengehen mit der vermutlich stärksten albanischen Partei des früheren Rebellenchefs Ali Ahmeti könnte sie bei vielen slawischen Mazedoniern diskreditieren, bei denen Ahmeti als „Terrorist“ gilt und weder ins Parlament noch in die Regierung gehört. Bei mehreren Geheimtreffen sollen die Sozialdemokraten deshalb bereits mit der Albaner-Partei DPA über ein mögliches Regierungsbündnis gesprochen haben. Doch deren Vertreter gelten als in illegale Geschäfte verstrickt.

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