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So lief das letzte TV-Duell zwischen Scholz und Merz: Schicksalsschläge, Liebeserklärungen und ein frecher Arbeitsloser
Vier Tage vor der Wahl standen sich die Kanzlerkandidaten von SPD und Union bei Welt TV gegenüber. An mehreren Stellen wurde es ungewohnt privat.
Stand:
Es dauert nur drei Minuten bis zur ersten Attacke von Friedrich Merz auf Olaf Scholz. Was der SPD-Kanzler besser könne als der CDU-Chef, will Welt-Chefredakteur Jan Philipp Burgard von Merz wissen. Eine Klassikerfrage, doch statt eine kleine Nettigkeit über den Konkurrenten zu verlieren, nutzt der CDU-Chef die Gelegenheit zur Spitze: „Rudern“, könne Scholz und „jeden zweiten Satz mit Ich anfangen.“
Es hat sich eine gewisse Routine im Schlagabtausch der Kanzlerkandidaten eingeschlichen. Zum dritten Mal in nur 72 Stunden standen sich Scholz und Merz am Mittwoch in einem TV-Duell gegenüber – anders als im RTL-Quadrell und der ARD-Wahlarena dieses Mal bei Welt-TV jedoch wieder ohne die Konkurrenz von AfD und Grünen.
Im Springer-Hochhaus in Berlin verfestigt sich dabei ein Bild, das schon bei den vergangenen Duellen zu beobachten war. Die Kandidaten treten mit vertauschten Rollen an. Kanzler Scholz, der in Umfragen weit abgeschlagen scheint, kämpft fast schon befreit. Merz, der Kanzleramt scheinbar ganz nah, bemüht sich spürbar auch um versöhliche Töne. Und gibt es im Wahlkampfendspurt noch einmal neue Erkenntnisse?
Merz’ Frauenproblem
Marion Horn, Chefredakteurin der „Bild“, konfrontiert Merz gleich zu Beginn der Sendung mit einer seiner Schwachstellen. Ob er sich erklären könne, warum er in Umfragen bei Frauen so schlecht ankomme. „Ich habe ein langes Merz-Bashing hinter mir, auch in der eigenen Partei“, sagt der 69-Jährige.
„Da hat sich ein Bild von mir verfestigt“, sagt Merz. Wer ihn besser kennenlerne, korrigiere dieses öffentliche Bild, versichert er. Doch die Umfragen seien eindeutig, räumt Merz ein. „Ich versuche damit umzugehen und das Gegenteil zu beweisen.“
Scholz’ Liebeserklärung – Merz’ Schicksalsschlag
Es bleibt persönlich zu Beginn. Welcher Schicksalsschlag die Kandidaten geprägt habe, will Burgard wissen. „Mein Leben ist sehr gelungen“, sagt Scholz, der sich nur über positive Erlebnisse äußern will: „Ich empfinde es als etwas Besonderes, dass ich Glück in der Liebe habe“, sagt der Kanzler, der seit 1988 mit Britta Ernst verheiratet ist und die am Wahlsonntag Geburtstag feiert.

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Merz dagegen lässt einen intimen Blick zu. „Wir waren zu viert zu Hause“, sagt er mit etwas belegter Stimme. Seine jüngste Schwester sei jedoch mit 21 Jahren bei einem Verkehrsunfall gestorben, sein jüngerer Bruder zudem früh an MS erkrankt und noch vor seinem 50. Lebensjahr verstorben. Das habe „tiefe Spuren“ in seiner Familie hinterlassen und halle bis heute nach, sagt Merz.
Deutschlands frechster Arbeitsloser
In den 2000er Jahren machte Arno Dübel im Boulevard als „Deutschlands frechster Arbeitsloser“ Karriere, nun scheint Springer einen Nachfolger gefunden zu haben. In einem Einspieler wird der Bürgergeldempfänger „Frank R. aus Berlin“ gezeigt. Seit 20 Jahren arbeitslos, bekommt der 58-Jährige seine Miete nun bezahlt und zusätzlich 560 Euro vom Staat. „Ich habe mich damit arrangiert“, sagt er und ergänzt: „Irgendeinen Job machen jetzt, nur um arbeiten zu gehen? Nein!“
Von diesem Auftritt zeigten sich Scholz und Merz gleichermaßen entsetzt. „Das findet meine entschiedene Ablehnung“, sagt der SPD-Politiker. Das Bürgergeld sei kein bedingungsloses Grundeinkommen. „Man müsste mit ihm zunächst einmal ein sehr ernstes Gespräch führen“, findet Merz. Er kündigt an, der Begriff Bürgergeld müsse „verschwinden“, passender wäre der Begriff „Grundsicherung“.
Scholz kontert, eine Namensänderung verändere nichts: „Das zeigt, dass dahinter nur heiße Luft ist.“ Man müsse Frank R. ein Jobangebot von einem öffentlich geförderten Job machen, um ihm nachzuweisen, dass dieser sich weigere zu arbeiten. Dann gebe es Leistungskürzungen, die noch verschärft werden müssten. Merz ist das zu kompliziert. „Die Beweislast beim Staat zu lassen, führt uns genau in dieses Problem.“
Steuerstreit beim TV-Duell
Beim Geld wurden die Differenzen zwischen Merz und Scholz deutlich. „Ich möchte den Unternehmen mit einem Steuerbonus helfen“, sagte Scholz mit Verweis auf Steuergutschriften für Investitionen. Merz dagegen wolle dagegen Reichen 20 Milliarden Euro Steuersenkung schenken, behauptet Scholz. „85.000 Euro für einen Dax-Vorstand, zehn Euro pro Monat für eine Verkäuferin“, rechnet der Kanzler ohne genauere Angaben vor.
Merz widerspricht jedoch nicht direkt: „Wir müssen von Dauer die Steuerbelastung von Unternehmen in Deutschland senken, damit wieder Wachstum entsteht“, sagt der CDU-Chef. Die Bilanz der Ampel sei historisch schlecht: Kapitalabflüsse von 100 Milliarden Euro pro Jahr und die „größte Unternehmenspleitewelle seit Jahrzehnten“.
Merz schrumpft sein Migrationsziel
Nach dem Anschlag von Aschaffenburg hatte Merz einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt, der unter anderem vorsah, dass alle vollziehbaren Ausreisepflichtigen in Abschiebehaft genommen werden sollten. Mehr als 40.000 Menschen würde das momentan betreffen. Mit dem Kanzleramt vor Augen schrumpft er sein Ziel:
Ich werde nur einen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem die Migrationswende und die Wirtschaftswende enthalten ist.
CDU-Chef Friedrich Merz macht seinen Fünf-Punkte-Plan nicht mehr zur roten Linie in Koalitionsverhandlungen.
Man könne „natürlich“ nicht alle 40.000 ohne Duldungsstatus festnehmen, räumt Merz ein. Es gebe in Deutschland aber 500 amtlich bekannte Gefährder. „Die laufen da draußen frei rum“, sagt Merz. Diese Gefährder müssten von der Straße geholt werden.
Seinen Fünf-Punkte-Plan macht Merz nicht weiter zur roten Linie für Koalitionsverhandlungen. Stattdessen äußert er sich vager: „Ich werde nur einen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem die Migrationswende und die Wirtschaftswende enthalten ist.“
Einkauferfahrungen der Kanzlerkandidaten
Als Kanzlerkandidat hat man wenig Zeit und so waren Merz und Scholz in diesem Jahr noch nicht selbst einkaufen, räumen beide ein. Merz scheint jedoch vorbereitet und betont, er kenne die aktuellen Preise für Butter. Dafür interessierte sich Moderatorin Horn jedoch nicht, sondern wie die beiden Männer bezahlen würden: Er habe immer Bargeld in der Tasche, sagt Scholz. „Ich bezahle mit meinem Handy“, sagt Merz. Eine Bemerkung, die im Pressezentrum neben dem TV-Studio ein Raunen auslöst.
Keine Macht für Wagenknecht
Angesichts der schwankenden Umfragen hätte Scholz vielleicht doch noch eine Machtoption. Ein Bündnis von SPD, Grünen, Linken und dem BSW. Es klingt abenteuerlich, aber rechnerisch eventuell möglich. „Das ist kein Plan, den irgendjemand von uns hat“, betont Scholz. Er könne sich „überhaupt nicht vorstellen“, sich von Sahra Wagenknecht zum Kanzler wählen zu lassen.
Das ist kein Plan, den irgendjemand von uns hat.
Olaf Scholz über eine Koalition aus SPD, Grünen, Linken und BSW.
Philosophie
Die Fragebögen des Schweizer Schriftstellers Max Frisch sind Kult. Und so dürfen zum Schluss auch die beiden Kanzlerkandidaten Fragen über sich selbst beantworten. Welche ihrer Eigenschaften sei unveränderlich? Scholz: „Nervenstärke.“ Merz: „Konsequenz.“
Ist es schlimmer zu lügen oder belogen zu werden? Scholz: „Beides ist schlimm. Lügen sollte man überhaupt nicht.“ Merz wählt ein Zitat vom französischen Philosophen Voltaire: „Man muss nicht immer alles sagen, was man weiß. Aber das, was man sagt, muss stimmen.“ Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck, promovierter Philosoph, dürfte vor dem Bildschirm anerkennend genickt haben.
Was fehlt?
Kein Wort zum Klimaschutz, das kennt man schon von anderen Wahlformaten. Doch dieses Mal sparen sich Horn und Burgard die gesamte Außenpolitik. Kein Wort zu US-Präsident Donald Trump, zum Krieg in der Ukraine oder einer Beteiligung der Bundeswehr an einer Friedensmission. Der Deutsche Bundestag stehe zur Wahl, begründet Horn ihre Themensetzung vor Journalisten nach dem TV-Duell.
Man habe zudem Differenzen herausarbeiten wollen, sagt die „Bild“-Chefredakteurin. Schon in wenigen Tagen dürfte jedoch eher das Einende zwischen Union und SPD im Mittelpunkt stehen.
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