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Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Die Grünen), sein Finanzminister Nils Schmid (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU.) stoßen beim Sommerfest des Landes Baden-Württemberg in Berlin mit Wein an.  

© dpa

Landtagswahl: So ticken sie in Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg war immer was los, von der Antike angefangen. Die einflussreichsten Adelshäuser, die wildesten Bauernführer, die klügsten Köpfe. Die Menschen dort können wirklich alles. Also fast alles.

So fängt’s schon mal an: Es regiert Winfried Kretschmann aus Spaichingen. Ehrenbürger von Spaichingen ist Erwin Teufel. Der schwarze Grüne und der angegrünte Schwarze: Kretschmann und Teufel sind katholisch, gottesfürchtig, behäbig, sprechen Mundart. Der eine ist Ministerpräsident, der andere war es. Beide verstehen sich als Landesbürgermeister. Der Weg vom einen zum anderen war lang, politisch, andererseits auch wieder nicht. Man kennt sich. Spaichingen im Landkreis Tuttlingen hat gut 12000 Einwohner.

Ja, die Mundart. Sie ist wichtig im „Ländle“, in Baden-Württemberg, dem nach Fläche und Bevölkerungszahl drittgrößten Bundesland. Das aber wirtschaftlich ganz vorn liegt, bei der Lebenserwartung seiner knapp elf Millionen Bürger außerdem. Die Regierung unter Teufel griff das Lebensgefühl 1999 auf, mit dem g’scheiten Werbeslogan „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“. Was stimmt.

Hochdeutsch ist Amtssprache. Der Rest ist in alemannische und fränkische Mundarten gruppiert. Und so divers wie das Land ist seine Dialektlandschaft. Das nördliche Drittel Baden-Württembergs ist Teil des fränkischen Dialektgebiets. Um Karlsruhe und Heilbronn wird Südfränkisch gesprochen, um Mannheim und Heidelberg Rheinfränkisch, auch Kurpfälzisch oder Pfälzisch genannt, im Osten Ostfränkisch. Im übrigen Baden-Württemberg, den südlichen zwei Dritteln, werden Färbungen des Schwäbischen – vor allem in Württemberg – wie des Nieder- und Hochalemannischen (vor allem in Baden) gesprochen. Man kann es auch noch genauer beschreiben, denn da gibt das Fränkisch-Schwäbische um Calw und Pforzheim, das Fränkisch-Niederalemannische um Baden-Baden und das Schwäbisch-Niederalemannische in Oberschwaben. Von wegen „die sprechen alle Schwäbisch“. Zum Beispiel Wolfgang Schäuble, der Finanzminister aus Offenburg. Der spricht es nicht. Es klingt nur so.

Multi oder Mittelstand, in Baden-Württemberg ist alles zu Hause

Aber sonst können sie wirklich alles. Daimler, Bosch, Porsche, Trumpf, Trigema, Multi oder Mittelstand, in Baden-Württemberg ist alles zu Hause. Deswegen fährt auch Kretschmann einen Daimler. Teufel fuhr übrigens von Spaichingen immer mit der Bahn nach Stuttgart. Das Ländle: ein Land der Tüftler und Schaffer. Es zählt zu den wirtschaftsstärksten und wettbewerbsfähigsten Regionen Europas; bei Hochtechnologie, Forschung und Entwicklung ist es sogar das innovativste in der ganzen EU. Das muss jeder beachten, der dort regieren will. So wie die „Kehrwoche“, an die sich besser auch jeder hält.

Dabei ist es ein Bindestrichland, will sagen: eines, in dem zusammengefügt wurde, was gar nicht zusammengehörte. Oder zumindest lange nicht zusammengehören wollte. Am Freitag, den 25. April 1952, 12 Uhr 30 wurden die Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern zu einem Bundesland vereinigt. Aber damit hatte es sich nicht. Denn die von Reinhold Maier geführte Regierung – die einzige je mit einem FDP-Politiker an der Spitze – weckte neuen Unmut in Südbaden und Südwürttemberg-Hohenzollern. Und so scheiterte Maier 1953. Die badischen Vereinigungsgegner gaben den Kampf gegen den Südweststaat auch nach 1952 nicht auf. Hin und her ging’s, bis vors Gericht: Das Karlsruher (!) Bundesverfassungsgericht gab dem Heimatbund Baden 1956 recht, dass der Wille der zahlenmäßig schwächeren Badener überspielt worden sei. Im Juni 1970 fand endlich das geforderte Volksbegehren statt – mit 81,9 Prozent für Baden-Württemberg!

So gesehen war in der Region, übrigens einer Touristenattraktion, immer was los, von der Antike angefangen. Die einflussreichsten Adelshäuser, die wildesten Bauernführer, die klügsten Köpfe – oder will jemand etwas gegen Thaddäus Troll sagen? Aber ganz gewiss nicht gegen Richard von Weizsäcker aus Stuttgart. Wo auch der Graf Stauffenberg aufgewachsen ist. So wie die Geschwister Scholl in Ludwigsburg. Überhaupt haben viele der bekanntesten Widerstandskämpfer ihre Wurzeln im Südwesten.

Denn auch das können sie in Baden-Württemberg: sich richtig entscheiden, wenn sie die Wahl haben.

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