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Konservierung der Verbandslandschaft? Wirtschaftsminister Peter Altmaier an seinem Schreibtisch.

© dpa / Michael Kappeler

Sozialpartnerschaft: Denkmalschutz statt Wettbewerb

Die Kammern für Handwerk, Industrie und Handel sind unter unternehmerischen Druck geraten. Wie steht es um die alte Sozialpartnerschaft? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ursula Weidenfeld

Die Lobby der Wirtschaftsverbände geht gerade unter. Das muss man nicht schlimm finden. Beklagen muss man aber die Rettungsversuche von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), die eher dem Denkmalschutz verpflichtet sind als der Marktwirtschaft.

Im Kern geht es um die sogenannten Kammern für Handwerk, Industrie und Handel. Wer in Deutschland Gewerbesteuer zahlt, muss Mitglied in einer dieser Organisationen sein. Immer mehr Unternehmern passt es aber nicht, dass und wie die einflussreichen Präsidenten der Dachverbände in Berlin Politik machen. Sie ziehen vor Gericht und bekommen Recht.

Der Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht sich deshalb in seiner Existenz bedroht. Das ruft den Wirtschaftsminister auf den Plan. Mit einem neuen Gesetz will er den DIHK retten. Der Verband soll eine Anstalt des öffentlichen Rechts werden, ähnlich dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, und de regionalen Kammern sollen zur Mitgliedschaft darin verpflichtet werden. Doch damit würde Altmaier genau das verhindern, was die Verfechter der Marktwirtschaft so gern predigen: Wettbewerb und Innovation.

Zombifizierung der Sozialpartner

Schon jetzt schreitet die Zombifizierung der Sozialpartner, der Kammern und Verbände voran. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände können ihre Tarifverträge in vielen Branchen und Regionen nicht mehr durchsetzen. Große Unternehmen verlassen sich auf die eigenen Hauptstadtlobbyisten. Mittelständler organisieren sich in eigenen Verbänden, um Gehör zu finden.

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Dieser Verfall von Macht, Einfluss und Organisationskraft könnte zu besseren Verbänden oder auch zu mehr Freiheit führen. Schöpferische Zerstörung ist das Wesen der Marktwirtschaft. Stattdessen konserviert der Staat eine Verbandslandschaft aus den 1950er Jahren. Weil es den Gewerkschaften nicht mehr gelingt, die Niedriglohngruppen zu organisieren und höhere Löhne durchzusetzen, setzt der Staat den Mindestlohn.

Weil die Tarifpartner ihre Verträge nicht mehr durchsetzen können, hilft er mit Allgemeinverbindlichkeitserklärungen oder Tariftreueregeln beim Überleben. Doch es ist nicht die Aufgabe des Wirtschaftsministers, die Interessenvertretungen der Wirtschaft zu retten. Das ist die Aufgabe der Unternehmen und der Verbände selbst: Wer Staatsferne verlangt und Freiheit predigt, darf sich nicht unter ein öffentlich-rechtliches Schutzdach flüchten, wenn es regnet.

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