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SPD: Hessische Hürden

Auf dem Parteitag will der SPD-Landesvorstand von Hessen eine große Koalition weiter ausschließen – in der Fraktion regt sich Widerstand.

Im Leitantrag des Landesvorstands scheint die Welt der hessischen SPD in Ordnung. Von einem „hervorragenden Wahlerfolg“ ist die Rede, seit 2001 habe es für die Partei bei keiner Landtagswahl – außer in Rheinland-Pfalz – einen größeren Stimmenzuwachs gegeben, als im Januar in Hessen.

Vom kläglich gescheiterten Versuch, eine rot-grüne Minderheitsregierung unter Duldung der Linkspartei zu bilden, ist nur am Rande die Rede. Immerhin hatten die Grünen ihrem Wunschpartner in diesem Zusammenhang Unprofessionalität vorgeworfen und den offenen Richtungsstreit in der SPD beklagt. Doch weder das Verhalten der aufmüpfigen Abgeordneten Dagmar Metzger, noch die handwerklichen Fehler der Führung dürften in Hanau im Mittelpunkt der Debatte stehen. Auf dem Parteitag wird sich der „Richtungsstreit“ an zwei Passagen des Leitantrags entzünden: Zum einen wird die Landtagsfraktion aufgefordert, bei der Suche nach Mehrheiten im neuen Landtag „auch die Linkspartei einzubeziehen“, zum anderen wird, wegen der „inhaltlichen und personellen Hürden“, eine große Koalition mit der CDU „weiter ausgeschlossen“. Der Vorstand will also eine Absage an die CDU – und gleichzeitig die Option offenhalten, einen zweiten Anlauf zu einer Minderheitsregierung zu wagen. Ohne innerparteilichen Zwist wird das nicht abgehen.

Nancy Faeser, SPD-Landtagsabgeordnete und Andrea Ypsilantis Schattenjustizministerin, sagte dem Tagesspiegel, eine Absage an rechnerisch mögliche Koalitionen halte sie nach den Erfahrungen der letzten Wochen nicht für klug. Es gehe ihr nicht um die Vorbereitung einer großen Koalition, versicherte Faeser. Sie will dafür streiten, dass der Parteitag keine Absage an die CDU beschließt.

Unstrittig in der SPD ist allerdings, dass bei inhaltlichen Fragen die rechnerische Mehrheit von SPD, Grünen und Linken im Landtag genutzt werden soll. SPD und Grüne werden einen Gesetzentwurf einbringen, um die Studiengebühren zum Wintersemester abzuschaffen. SPD, Grüne und Linkspartei haben die Landesregierung aufgefordert, in die Tarifgemeinschaft der Länder zurückzukehren, was für die Beschäftigten des Landes verbesserte Einkommen bringen würde. Hessens Regierung von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) ist ab dem 5. April geschäftsführend tätig, sie kann Gesetze dann zwar verzögern, muss sie am Ende aber umsetzen. Koch wird darauf bestehen, dass die finanziellen Auswirkungen aller Parlamentsinitiativen beachtet werden. Er selbst wird eine neue Rolle finden müssen. Mit absoluter Landtagsmehrheit ausgestattet, hatte er in der letzten Legislaturperiode seine Politik notfalls gegen den Widerstand von Kirchen, Gewerkschaften oder Landesbediensteten durchgesetzt.

Als geschäftsführender Ministerpräsident ist er dagegen für die „Moderation schwieriger Prozesse“ zuständig, so Koch selbst. Dabei denken die Unionsstrategen auch an die von CDU und FDP beworbene Jamaika-Koalition mit den Grünen – die genervt abwinken. Wenn jetzt mit der Mehrheit von SPD, Grünen und Linken wichtige Ziele des SPD-Wahlprogramms durchgesetzt werden können, ständen diese Themen bei der Bildung einer großen Koalition nicht mehr im Weg. Koch könnte seinem Innenminister und Parteivize, Volker Bouffier, den Weg freimachen, Ypsilanti bliebe Landes- und Fraktionschefin der SPD. Vor allem Bouffier dürfte interessiert verfolgen, ob der SPD-Parteitag die große Koalition „weiter ausschließt“.

Noch lassen die neuen „hessischen Verhältnisse“ ungewöhnliche Blüten sprießen. Die CDU überlegt, ob sie als Oppositionspartei gelten möchte. Grund ist der sogenannte „Oppositionszuschlag“. Der steht der Parlamentsopposition zu, weil sie nicht auf den Regierungsapparat zurückgreifen kann. Die CDU-Fraktion könnte einen sechsstelligen Betrag zusätzlich einstreichen. Selbst Kochs Wunschpartner, FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn, nennt solche Überlegungen einen vorweggenommenen Aprilscherz.

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