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Politik: SPD kämpft für Atomausstieg – gegen die CDU

Grüne fürchten „schmutzigen Handel“ der großen Koalition / Oettinger warnt vor nationalem Sonderweg

Von
  • Matthias Meisner
  • Antje Sirleschtov

Berlin - Die SPD will trotz anhaltender Kritik aus der Union am Atomausstieg festhalten. Parteichef Matthias Platzeck und der SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel wollen den unter Rot-Grün vereinbarten Atomkonsens mit den Stromkonzernen bei einer Energiekonferenz an diesem Montag in Berlin als richtig verteidigen und damit gut vier Wochen vor dem Energiegipfel der großen Koalition klarmachen, dass die SPD und nicht die Union die gemeinsame Regierungslinie in Energiefragen vorgibt. „Wer auf Atomenergie setzt, setzt auf die Vergangenheit“, sagte der Staatssekretär im Umweltministerium, Michael Müller (SPD), am Sonntag dem Tagesspiegel. Es sei ein „Trugschluss“ zu glauben, Atomkraft könne Antworten auf die Fragen des Klimaschutzes und der Versorgungssicherheit mit Energie geben. „Nur der Ausbau neuer Technologien und die Ausnutzung von Effizienzreserven sind geeignet, auch in Zukunft noch ausreichend Energie zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung zu haben“, sagte Müller.

Für die SPD folgt das Festhalten am Atomausstieg nicht nur aus der Kontinuität eigener Politik der letzten Jahre. Die Partei will damit auch modernes Profil innerhalb der großen Koalition entwickeln. Weil sie im Kabinett vor allem die großen Sozialreformressorts innehat, will sie das Thema „Moderne Energie“ zu ihrem Innovationsthema entwickeln.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete am Wochenende eine „künstliche Verkürzung von Restlaufzeiten“ von Atommeilern als „unsinnig“. Auf einem Sonderparteitag der rheinland-pfälzischen CDU sagte sie, Energiepolitik erfordere eine unideologische und vernünftige Herangehensweise. Zugleich legte Merkel ein „klares Bekenntnis“ zur Entwicklung alternativer Energien ab. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) warnte am Wochenende auf einer Kundgebung in Karlsruhe vor einem „nationalen Sonderweg“ in der Energiepolitik. Während in anderen Ländern neue Kernkraftwerke gebaut und die Laufzeiten verlängert würden, müssten deutsche Anlagen wegen des Atomausstiegs verfrüht vom Netz gehen, dies sei eine „falsche Entwicklung“.

Der grüne Fraktionsvize Reinhard Loske sieht in den parallelen Bekenntnissen vor allem der Union zu Atomkraft und erneuerbaren Energien eine Doppelstrategie – die es womöglich auch in der SPD gebe. Die erneuerbaren Energien würden als Innovationsthema gesehen, mit dem sich punkten lasse, sagte er dem Tagesspiegel. Keinesfalls aber ist er sicher, dass die SPD auch in Sachen Atomkraft standhaft bleibt und letztlich nicht doch zustimmt, dass Reststrommengen von neuen auf alte Meiler übertragen werden. Bleiben die Kraftwerke Biblis A und B sowie Neckarwestheim und Brunsbüttel aber erst einmal über das Ende der Legislaturperiode am Netz, werde die Debatte nach 2010 unter neuen Vorzeichen geführt: „Das Begehren wird auf die SPD zukommen. Ich glaube, dass die SPD da nicht 100-prozentig steht.“ Für denkbar hält Loske einen „schmutzigen Handel“ – einerseits könnte sich die Union beim Thema Kohle kompromissbereit zeigen, für das sich die SPD „fast irrational“ engagiere, umgekehrt die SPD der Union im Handel um die Reststrommengen von Atommeilern entgegenkommen. Auch Grünen-Chef Reinhard Bütikofer warnte die Sozialdemokraten vor ihrem Energiegipfel vorsorglich vor Etikettenschwindel: „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen.“

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