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SPD-Landeschefin Kraft: "Der Aufschwung muss bei allen ankommen"

Die SPD-Chefin in NRW, Hannelore Kraft, will mehr Netto vom Brutto für die Mittelschicht – aber anders als die CSU.

Sie werben als Vorsitzende der SPD in Nordrhein-Westfalen für Steuersenkungen, Frau Kraft. Warum?

Mir geht es um die Mittelschicht. Das sind Angestellte, Facharbeiter und auch kleine Handwerker. Sie sind die Haupt-Lastenträger in unserer Gesellschaft. Sie zahlen für die Studiengebühren ihrer größeren Kinder und oft die höchsten Beiträge für die Kita-Plätze ihrer kleinen Kinder und vieles mehr. In den vergangenen Jahren sind sie zusätzlich durch Preissteigerungen im Energiebereich belastet worden und müssen feststellen, dass ihnen von den Lohnerhöhungen der zurückliegenden Monate kaum etwas übrig bleibt. Deshalb sage ich: Der Aufschwung muss bei allen ankommen. Auch – und vor allem – bei der Mittelschicht. Und jetzt ist der richtige Zeitpunkt, das umzusetzen.

Jetzt – heißt das, noch in dieser Legislaturperiode?

Wir Sozialdemokraten müssen dafür einstehen, dass der Mittelschicht mehr Netto vom Brutto bleibt. Ich bin seit Wochen in Nordrhein-Westfalen unterwegs und erfahre mit dieser Position große Unterstützung. Wir sollten daher der CDU – dem Koalitionspartner in Berlin – klarmachen, dass eine Steuerentlastung bereits 2009 beginnen kann.

Wie wollen Sie die Steuern senken?

Mir geht es ganz konkret darum, die Wirkungen der Progression für die Mittelschicht zu dämpfen. Wenn jemand etwas leistet, dafür besser entlohnt wird und dann einen unverhältnismäßig hohen Teil des Zusatzverdienstes für Steuern ausgeben muss, dann ist das nicht gerecht. Ich trete deshalb dafür ein, die Steuer-Progressionskurve abzuflachen. Das ist mir sehr wichtig. Auch eine Anhebung der Grundfreibeträge sollten wir prüfen.

Wer soll das bezahlen?

Ich verspreche keine Wolkenkuckucksheim-Politik, wie das die CSU tut. Ganz klar ist, dass die Haushalte saniert werden müssen und wir die Steuer-Zusatzeinnahmen der nächsten Jahre für wichtige Investitionen vor allem in Bildung und Betreuung brauchen. Steuersenkungen müssen deshalb allein über Umschichtungen seriös gegenfinanziert werden und nicht über Steuerausfälle.

Was wollen Sie umschichten?

Die Reichensteuer greift heutzutage bei Ehepaaren erst ab einem Bruttojahreseinkommen von 500 000 Euro. Diese Einkommensgrenze kann abgesenkt werden. Da sehe ich noch Spielraum. Außerdem sollten wir neu über eine Vermögensteuer diskutieren. Und letztlich geht es auch um die noch ausstehenden Regelungen der Erbschaftsteuer. CDU/CSU haben zwar im Koalitionsvertrag in Berlin darauf bestanden, die neue Regelung aufkommensneutral zu gestalten. Allerdings sollte die SPD für die Zeit nach der großen Koalition abwägen, ob für die steuerliche Entlastung der Mittelschicht auch eine Mehrbelastung von großen Erbschaften in Betracht kommt.

Wollen Sie Ihre Vorschläge beim Zukunftskongress der SPD Ende Mai in Nürnberg vorlegen?

Kurt Beck hat einen Diskussionsprozess in Gang gebracht, wie die SPD den Anspruch „Der Aufschwung muss bei allen ankommen“ umsetzen kann. Dazu gehört auch die Senkung der Steuer- und Abgabenbelastung. Als Mitglied des Präsidiums werde ich meine Vorstellungen einbringen. Ich denke, wir sollten unsere Ideen jetzt zügig diskutieren und spätestens in Nürnberg Grundzüge eines Konzepts vorlegen. Dann ist die CDU am Zug.

Kurt Beck hat argumentiert, wenn finanzielle Spielräume bleiben, dann sei die steuerliche Entlastung weniger notwendig als die Senkung der Sozialbeiträge.

Es geht um ein Gesamtpaket, über das wir jetzt sprechen. Dabei muss die SPD prüfen, welche Entlastungsmöglichkeiten gibt es bei Steuern und welche bei den Sozialabgaben. Um es noch mal klar zu sagen: Ergebnis des Gesamtpakets muss eine Entlastung der Mittelschicht sein.

Das Interview führte Antje Sirleschtov.

Hannelore Kraft (47), Diplom-Ökonomin, ist seit Januar 2007 Landesvorsitzende und seit Juni 2005 Fraktionsvorsitzende der NRW-SPD. Sie gehört dem Präsidium der Bundes-SPD an.

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