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SPD-Strategie: Knack die Kanzlerin – lieber nicht

In scharfem Ton attackiert die SPD Banken und Finanzmärkte. Doch es gibt Zweifel an einer Wahlkampfstrategie, die Merkel schont.

Von Hans Monath

Für die neue Strategie der Sozialdemokraten im Umgang mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) fand Sigmar Gabriel vergangene Woche markige Worte. „Es geht nicht darum, Frau Merkel zu knacken“, erklärte der SPD-Chef nach der Klausur des SPD-Vorstands in Potsdam, weshalb seine Partei nun auch keinen personenorientierten Wahlkampf gegen die Kanzlerin führen wolle, die bei den Bürgern hohes Ansehen genießt. Laut Gabriel hat sich seine SPD etwas anderes vorgenommen: „Unsere Gegner sind Finanzmärkte, unser Gegner ist die soziale Spaltung in Deutschland, und das sind die Themen, die 2013 garantiert auch im Mittelpunkt des Wahlkampfes stehen werden.“

Das „Handelsblatt“ berichtete am Dienstag nun über „erste Ergebnisse“ der neuen Wahlkampfstrategie. Demnach ließ die SPD Videospots entwickeln, in denen die Finanzindustrie und ihre Akteure scharf attackiert werden. In einem Zeichentrickfilm ist ein Roulettetisch zu sehen, in dem Menschen und Häuser hin- und hergeschoben werden. Bankvorstände werden darin als „Zocker“ und „Kasinokapitalisten“ bezeichnet. Zudem wurde die Internetseite „Wir sind viele“ freigeschaltet, auf der die SPD „Demokratie statt Bankenmacht“ fordert. Und in einem SPD-Flugblatt heißt es: „Der Teil von Banken, der zockt, darf nicht den Teil gefährden, der die Spareinlagen der Menschen verwaltet.“

Der Bundesverband der deutschen Banken zeigte sich über solche Töne wenig erfreut und warnte prompt vor Pauschalkritik. Jede Partei entscheide zwar in eigener Verantwortung, mit welchen Themen sie im Wahlkampf ihre Wähler mobilisieren wolle, sagte ein Sprecher des Bankenverbands dem Tagesspiegel: „Der pauschale Vorwurf, die Finanzmärkte seien unreguliert, verkennt jedoch die Entwicklung seit 2008.“ In den zentralen Bereichen Aufsicht, Eigenkapitalausstattung, Bankenrestrukturierung und Vergütung hätten Bundestag und Europäisches Parlament „grundlegende Reformen“ auf den Weg gebracht. Auch inWahlkampfzeiten seien die Banken selbstverständlich zu einem fairen und sachlichen Dialog bereit.

In der SPD selbst ist die neue Stoßrichtung offenbar unumstritten. Auch der Seeheimer Kreis vom rechten Parteiflügel hat kein Problem mit der Kampfansage an eine ungezügelte Finanzwirtschaft, auch wenn er sich nicht jeden Zungenschlag des Parteichefs zu eigen macht. „Gabriel hat völlig recht, wenn er an die grundsätzlichen Spielregeln erinnert, wonach der Finanzsektor der Realwirtschaft zu dienen hat“, sagte Seeheimer-Sprecher Johannes Kahrs. Konkret verlangen die Sozialdemokraten eine schärfere Regulierung der Finanzmärkte, eine Spekulationssteuer und die Trennung von Investmentbanking- und Privatkundengeschäft.

Ob die SPD im Wahlkampf 2013 dann tatsächlich so aggressive Töne anschlägt wie in den Videospots und auf der Internetseite „Wir sind viele“, ist noch völlig offen. Die vom „Handelsblatt“ beschriebenen Kommunikationsmittel hätten gar nichts mit der Potsdamer Klausur und dem Wahlkampf 2013 zu tun, heißt es im Willy-Brandt-Haus. Spots und Internetseite stammten aus dem Herbst 2010.

Aber nicht nur die scharfe Tonlage, sondern auch die Grundsatzentscheidung, statt Merkel die Finanzmärkte anzugreifen, birgt für die SPD nach Ansicht von Kommunikationsexperten und Demoskopen große Risiken. „Diese Kampagne läuft ins Leere“, meint etwa Medienberater Michael Spreng. Ein wirksames Wahlkampfinstrument sehe anders aus: „Die SPD konzentriert sich auf den falschen Gegner, denn die Banken stehen nicht zur Wahl“, meint der „Spindoctor“ des damaligen Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber. Zudem sei Merkel in der Bankendiskussion nur schwer angreifbar, da sie ständig für die Finanztransaktionssteuer werbe. Sprengs Urteil: „Die SPD betreibt eine Verzweiflungsstrategie, weil sie Frau Merkel nicht zu packen kriegt.“

Gabriel hatte nach der Potsdamer Klausur allerdings die Möglichkeit ausdrücklich offen gelassen, dass die SPD Merkel doch noch frontal angreift. In der heißen Wahlkampfphase werde es anders als jetzt durchaus darum gehen, wer den besseren Kanzler stelle, kündigte er an. Dafür allerdings braucht die SPD dann nicht nur einen überzeugenden Kandidaten, sondern auch eine überzeugende Strategie.

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