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SPD: Tränenreicher Abschied von Schröder

Zum Schluss gab es kein Halten mehr. Der Beifall wollte nicht aufhören. Knapp 15 Minuten lang applaudierten die SPD-Delegierten Gerhard Schröder zum endgültigen Abschied.

Berlin - Der Saal und die Vorstandsränge wurden fast zum Feuchtbiotop. Schröders aufgewühlter langjähriger Finanzminister Hans Eichel wollte seine innere Bewegung nicht zurückhalten. Auch bei Ex-General Manfred Opel und anderen gestandenen Parteifreunden flossen die Tränen.

Schröder war die Rührung deutlich anzumerken. Während der Saal applaudierte, ging er auf der Bühne der Karlsruher Messehalle über ein Dutzend Mal nach vorn und verabschiedete sich mit den Wahlkampf-Siegerposen. Zuerst die über den Kopf verschränkten Hände, danach die ausgebreiteten Arme mit den Daumen nach oben.

Für einen Moment schien es, als ob die SPD schon vor dem offiziellen Abgang des Kanzlers seine unverzügliche Heiligsprechung eingeleitet habe. Der Partei versprach Schröder in seiner Rede, aus der viel Dankbarheit, aber kaum Wehmut sprach: «Ich möchte diesen Weg mit meiner SPD weitergehen, solidarisch, aber frei.»

Es war der Tag des Dankes für den scheidenden Kanzler. Die Aufarbeitung der beschämenden Umstände von Franz Münteferings Abgang als SPD-Chef sollte die Inszenierung nicht überlagern. Schröder rief in Anspielung auf seinen eigenen Rückzug vom SPD-Vorsitz in den Saal, die Entscheidung Münteferings müsse respektiert werden. «Ich weiß wovon ich rede.» Dem Franz verdanke er «sieben außergewöhnliche Jahre», lautete die fast offene Liebererklärung. «Auf dich war auch in schwierigen Stunden immer Verlass. Du hast Solidarität immer selbst gelebt», wandte sich Schröder vom Rednerpult an Müntefering. «Niemals Herr sein, aber auch niemals Knecht», dieses Motto habe beide eng zusammengeschmiedet.

Auch bei Münteferings Auftritt gingen die Emotionen hoch. Das sei ein langer Weg gewesen, «vom Proletarierkind bis ins Kanzleramt», sagte er über Schröders Lebensweg und fügte hinzu: «Lieber Gerd, du hast dich um die SPD und Deutschland verdient gemacht. Bleib präsent.» Bei diesen Sätzen hielt es Schröder nicht mehr auf seinem Stuhl. Er stürmte nach vorn und umarmte seinen Weggefährten gerührt auf offener Bühne.

Sein eigener Abgang nach 606 Tagen Parteivorsitz war Müntefering nur einen knappen Hinweis wert. «Ich war gern Parteivorsitzender. Das war eine schöne Zeit, manchmal heftig.» Wenn in den SPD-Geschichtsbüchern später einmal hinter seinem Namen «keine Ruf- oder Fragezeichen stehen, dann soll es gut sein». Und für Andrea Nahles, die mit ihrer Kandidatur für den Generalsekretärsposten den Rückzug ausgelöst hatte, machte Müntefering sogar Werbung. Er werde sie bei den Vorstandswahlen am Dienstag wählen, kündigte er an. «Manchmal erzeugt Reibung ja auch Fortschritt. Wir kommen schon weiter», lauteten die versöhnlichen Töne in Richtung der Parteilinken.

Ansonsten probte «Münte» schon spürbar die künftige Rolle des Vize-Kanzlers, was sich auch an seinem Outfit zeigte. Er präsentierte sich in einem ministerblauen Jackett an Stelle des sonst üblichen Anzugs in Grau- oder Brauntönen. «Lasst uns das wagen», rief er den Delegierten zu, um sie vom Koalitionsvertrag zu überzeugen. Das Programm sei zwar «nicht reinrassig SPD, aber es trägt hinreichend sozialdemokratischen Geist», umwarb er mit Erfolg den Parteitag. Für SPD-Verhältnisse ausgesprochen milde fiel die Kritik der Basis an der Verhandlungsführung der eigenen Führung aus. (Von Joachim Schucht, dpa)

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