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Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident von Brandenburg, gibt eine Pressekonferenz nach den Gremiensitzungen der Partei nach der Landtagswahl in Brandenburg.

© dpa/Kay Nietfeld

Woidkes Vorgehen in Brandenburg: Nonnemacher geopfert, um Wagenknecht zu gewinnen

Der Wahlausgang in Brandenburg – eine Hypothek. Dietmar Woidke hat gewonnen, aber die demokratische Mitte verloren. Das begründet noch einmal höhere Verantwortung, für ihn und die SPD.

Stephan-Andreas Casdorff
Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Stand:

Sie sind sich also einig geworden, die SPD und das BSW in Brandenburg. Es blieb ihnen ja auch gar nichts anderes übrig, so wie die Wahl ausgegangen ist. Ein Wahlausgang, den vor allem die SPD und besonders der Ministerpräsident zu verantworten haben.

Diese Verantwortung: Nach dem zugespitzten, manche sagen „egozentrierten“, Wahlkampf von Dietmar Woidke ist die demokratische Mitte geschreddert. Grüne, FDP, Linke, alle weg, die CDU geschwächt, dafür die AfD noch deutlich gestärkt. Und alles billigend in Kauf genommen.

Die Geister, die sie riefen, haben die Sozialdemokraten jetzt. Das BSW: nicht irgendeine Partei, nein, eine ganz auf die Führungsperson zugeschnittene Konstellation mit handverlesenen Mitgliedern. „Nationalbolschewisten“ hat sie der ehemalige Ostbeauftragte im Bund, Marco Wanderwitz, genannt. Und Ostwestgewissen Wolf Biermann sieht im Bündnis Sahra Wagenknecht eine „Personenkult-Partei“ und „legitime Erben der Stalinepoche“. So etwas hat die Republik noch nicht erlebt.

SPD und BSW, danach sieht’s aus, wird ein Bündnis der ganz eigenen Art. Am Ende die Hand drauf – wenn das nicht Erinnerungen weckt. Manfred Stolpe wurde als Ministerpräsident vorgehalten, aus Brandenburg die kleine DDR machen zu wollen. Nachnachfolger Woidke kann der Sache mit dem BSW näher kommen.

Und wie: mit Macht. Die Art der Entlassung seiner bisherigen Vizeministerpräsidentin, der Grünen Ursula Nonnemacher, aus dem Amt der Gesundheitsministerin zeigt es. Das war ja nicht bloß ein Mangel an politischer Kultur. Sondern eine pure Demonstration: Seht her, so geht’s, Brandenburg bin ich. Wie sagte Woidke? Er lasse sich „nicht auf der Nase herumtanzen“.

Habeck findet das unfassbar

Der Obergrüne Robert Habeck findet das „unfassbar“. Viel spricht dafür, dass er recht hat. Denn unfassbar ist es menschlich, das sowieso, aber auch politisch. Hier geht es um mehr als um die Ästhetik des Auftritts. Habeck bringt es auf den Punkt: „Die Entlassung ist ein Alarmzeichen: Das passiert, wenn sich ein SPD-Ministerpräsident im Vorgriff auf eine Koalition schon mal Sahra Wagenknechts Bündnis andient.“

Noch einmal: Woidke kippt eine Grüne, die für ein SPD-Gesetz eintritt, und das auf diese Weise. Kurz vor ihrer Rede im Bundesrat feuert er die 67-jährige Falkenseerin. Im Flur des Tagungsgebäudes übergibt der Ministerpräsident ihr die Entlassungspapiere. Wirklich unfassbar.

Und Lauterbach hat sich bedankt

Nicht allein, dass Woidke gegen den Koalitionsvertrag verstieß – es war eine bewusste Demütigung. Wie ironisch, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, Sozialdemokrat wie Woidke, den Einsatz Nonnemachers für seine Krankenhausreform würdigt. Die es auch ohne diese Farce geschafft hat.

Dietmar Woidke hat sich einiges aufgeladen. Das Hochgefühl des Sieges wird ganz gewiss mit der Zeit weichen. Das ist immer so. Und dann wollen die Mühen der Ebene bewältigt sein. Einer allein ist da verloren.

Wer widerspricht Woidke noch?

Auf wen wird er hören, wer ist es, der ihm noch widerspricht? Seine drei K, Katrin Lange, Kathrin Schneider, Kathrin Ortlieb-Schern? Offenkundig eher nicht. Und Fraktionschef Daniel Keller aus der Schule von Johannes Kahrs („House of Kahrs“) macht Politik auf eigene Rechnung.

Stilfragen sind dann doch auch Führungsfragen, nicht? Ob Brandenburgs Führung den Stil hat, der der Demokratie zuträglich ist – heute fraglich, wenn man den Fall auf sich wirken lässt: Nonnemacher geopfert, um Wagenknecht zu gewinnen. So kann man denken.

Zumal jetzt auch Ukrainepolitik in ihrem Sinne gemacht wird, russophil. Da war sogar die thüringische BSW-Landesvorsitzende Katja Wolf mutiger als die brandenburgischen Sozialdemokraten.

Momentan scheint zu gelten: Wer nicht für die Sozialdemokraten ist, ist gegen sie. Wo bleibt da das respektvolle Miteinander und Gegeneinander? Diese Frage ist noch zu beantworten. Dabei hat die SPD in einem Bündnis mit dem BSW mehr denn je Verantwortung fürs politische Niveau. Und nicht zuletzt Dietmar Woidke wird daran zu messen sein.

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