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Politik: SPD will Mindestlohn statt Merkel

Nach dem Streit über die Terrorbekämpfung setzt sich der Koalitions-Disput bei einem neuen Thema fort

Berlin - Die große Koalition kommt nicht zur Ruhe. Nach dem heftigen Streit der vergangenen Woche über die Terrorismusbekämpfung rückt das Thema Mindestlohn ins Zentrum der Auseinandersetzung. Die SPD nimmt dabei verstärkt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ins Visier. Ihr warf die SPD-Spitze am Montag vor, im Ringen um einen Mindestlohn für Postbedienstete in die Tarifautonomie einzugreifen. Zugleich erklärte Vizekanzler Franz Müntefering (SPD), einen flächendeckenden Mindestlohn werde es nur mit einer SPD- geführten Bundesregierung – also nach Merkels Ablösung – geben. Die FDP wertete dies als „faktische Aufkündigung der Zusammenarbeit“ zwischen Union und SPD.

Auch SPD-Chef Kurt Beck bekräftigte seine Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn. „Der Mindestlohn ist auch der Kampf darum, dass ordentliche Arbeit ihres Lohnes wert ist“, sagte Beck bei der Versammlung des Fachbereichs Ver- und Entsorgungswirtschaft Berlin/Brandenburg der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi am Montag in Berlin.

Zuvor hatte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil Merkel nach Gremiensitzungen seiner Partei dazu aufgefordert, sich an die Vereinbarungen der Koalition zum Mindestlohn im Postsektor zu halten. Für die SPD sei die zwischen der Gewerkschaft Verdi und dem von der Deutschen Post dominierten Arbeitgeberverband Postdienste abgeschlossene Mindestlohnvereinbarung maßgeblich. Danach erhalten Briefzusteller zwischen 8 und 9,80 Euro pro Stunde. „Tatsache ist: Da ist ein Tarifabschluss“, sagte Heil. Dieser könne über das Entsendegesetz für allgemeinverbindlich in der gesamten Branche erklärt werden. „Dazu muss es in der Koalition auch kommen“, fügte der Generalsekretär mit Blick auf die Widerstände in der Union hinzu.

Anders als die SPD tragen CDU und CSU der Kritik der Post-Konkurrenten Rechnung, die Mindestlöhne von 9,80 Euro für zu hoch halten und deshalb einen zweiten Arbeitgeberverband gegründet haben, um eigene Verhandlungen mit der Gewerkschaft zu führen. So appellierte Merkel am Montag an die Tarifparteien, neuerliche Verhandlungen aufzunehmen. Dies würde die Kanzlerin sehr begrüßen, erklärte Regierungssprecher Thomas Steg. Ziel müssten einheitliche tarifvertragliche Regelungen für Briefdienste sein. Heil sagte hingegen, es sei bezeichnend, dass die Union gesetzliche Mindestlöhne unter Verweis auf die Tarifautonomie ablehne, sich aber einschalte, wenn Gespräche geführt würden, um Löhne zu drücken.

Mindestlohn statt Merkel – so lautete die Botschaft, mit der sich Vizekanzler Müntefering am Montag zu Wort meldete. Der SPD-Zeitung „Vorwärts“ sagte Müntefering: „Die SPD in der Bundesregierung will den flächendeckenden Mindestlohn für alle. Die Union blockiert das. Deshalb wollen wir 2009 für eine SPD-geführte Regierung kämpfen.“ Nur so könnten der Mindestlohn realisiert und sittenwidrige Löhne tatsächlich verboten werden. „Wir müssen Schluss damit machen, dass einige Unternehmer sich ihre Dumpinglöhne durch den Steuerzahler auch noch bezahlen lassen“, fügte Müntefering hinzu.

Dem Wirtschaftsflügel der Union gehen dagegen schon die bisherigen Vereinbarungen viel zu weit. Der Chef der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, warf seiner Partei am Montag vor, branchenbezogenen Mindestlöhnen zugestimmt zu haben: „Das Entsendegesetz ist zu einem allgemeinen Mindestlohngesetz geworden.“

Stephan Hasselberger

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