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Politik: SPD wirbt für ihr Gesundheitsmodell

Vor der nächsten Spitzenrunde bekräftigt die Partei den Plan, das System stärker aus Steuern zu finanzieren

Berlin - Vier Tage vor der nächsten Spitzenrunde der großen Koalition zur Gesundheitsreform wirbt die SPD-Spitze offensiv für eine stärkere Steuerfinanzierung des Gesundheitswesens. Im Gegenzug sollen die Krankenkassenbeiträge deutlich sinken. SPD-Chef Kurt Beck sagte am Donnerstag, dies sei „der absolut richtige Ansatz.“ Die Sozialdemokraten seien immer dafür gewesen, die Finanzierung des Gesundheitssystems auf eine breitere Grundlage zu stellen. Nach Informationen des Tagesspiegels berechnet das Bundesfinanzministerium derzeit verschiedene Varianten einer höheren Einkommensteuer.

Die Experten des Finanzministeriums prüfen nun, mit welchen Einnahmen der Staat rechnen kann, wenn die Einkommensteuer erhöht wird oder wenn ein „Gesundheitssoli“ (Zuschlag auf die Steuerschuld) eingeführt wird. Damit Geringverdiener nicht belastet werden, sollen auch Freibeträge geprüft werden. Die Steuerzuschüsse könnten ab 2008 ins Gesundheitswesen fließen und in mehreren Schritten bis 2010 ansteigen, heißt es in der SPD. Im Gespräch ist ein Volumen von 30 und 45 Milliarden Euro. Damit ließen sich die Kassenbeiträge um rund drei bis vier Prozentpunkte senken. Eine weitere Erhöhung der Mehrwertsteuer nach 2007 gilt als unwahrscheinlich. „Das wäre den Bürgern nicht zu vermitteln“, heißt es in der Koalition. SPD-Chef Beck wollte sich am Donnerstag zu konkreten Summen für einen Zuschuss aus dem Steuertopf nicht äußern.

Auch Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) zeigte sich offen für eine teilweise Steuerfinanzierung des Gesundheitswesens. Es gebe zwei Wege, die Finanzierung auf ein breiteres Fundament zu stellen, sagte die Ministerin. Beiträge könnten nicht nur auf den Lohn, sondern auf alle Einkommen erhoben werden. Oder zu den lohnabhängigen Beiträgen könnten Steuergelder hinzukommen. Sie sei „offen für jede gute Lösung“, sagte Schmidt. „Eine reine Steuerfinanzierung kommt nicht in Frage.“ In den vergangenen Monaten hatten sich vor allem Unionspolitiker für eine stärkere Steuerfinanzierung des Gesundheitswesens eingesetzt, während die SPD-Spitze sich bei der Frage zurückgehalten hatte. So hatte etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dafür geworben, mittelfristig die Kassenbeiträge der Kinder von der Allgemeinheit über Steuern bezahlen zu lassen. Dafür wären zwischen 14 und 16 Milliarden Euro erforderlich.

Becks Vorstoß löste bei den CDU-Ministerpräsidenten unterschiedliche Reaktionen aus. Sachsen-Anhalts Regierungschef Wolfgang Böhmer sagte, Steuererhöhungen zur Finanzierung des Gesundheitssystems seien die solidarischste Form. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger bezeichnete es als denkbar, die Krankenversicherung der Kinder über Steuern zu bezahlen. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) hingegen lehnte die SPD-Pläne ab. „Wenn ich sage, wir dürfen die Lohnzusatzkosten nicht weiter erhöhen, dann gilt das natürlich nicht nur für die Krankenversicherungsbeiträge“, sagte Müller. Die Verbrauchssteuern seien gerade erhöht worden. „Und da jetzt über eine nochmalige Erhöhung mit einem Volumen von 40 Milliarden Euro zu reden, ist völlig unsinnig.“

Wirtschaftsforscher hingegen unterstützten die Idee, die Arbeitskosten durch höhere Steuern zu senken. Dadurch könnten bis zum Jahr 2010 rund 300 000 neue Jobs entstehen, heißt es in einer Berechnung der Hypo-Vereinsbank. Zudem würde das Wirtschaftswachstum um 0,4 Prozentpunkte pro Jahr höher ausfallen. Vor allem Langzeitarbeitslose könnten von der Maßnahme profitieren. Der Grund: Vor allem für Unternehmen aus der Dienstleistungsbranche würde es billiger und damit attraktiver, gering bezahlte Arbeitsplätze einzurichten. Für ihre Prognose nahmen die Ökonomen an, dass die Belastung durch Mehrwert- und Einkommensteuer bis 2010 in Stufen von zehn Milliarden Euro pro Jahr steigt. Die Mehrwertsteuer etwa würde dann bei 22 Prozent liegen. Noch mehr Stellen würden der Bank zufolge entstehen, wenn die Senkung der Arbeitskosten allein den Arbeitgebern zugute käme – dann würden die Unternehmen mehr als 600 000 Menschen einstellen.

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