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Politik: Spieglein an der Wand

Foto: Rückeis AUF ZU DEN LINDEN! Von Manfred Güllner Wahlkämpfe müssten eigentlich für Meinungsforscher das sein, was Weihnachten für Kinder ist: eine große Bescherung mit tollen Geschenken, in unserem Fall Forschungsaufträgen.

Foto: Rückeis

AUF ZU DEN LINDEN!

Von Manfred Güllner

Wahlkämpfe müssten eigentlich für Meinungsforscher das sein, was Weihnachten für Kinder ist: eine große Bescherung mit tollen Geschenken, in unserem Fall Forschungsaufträgen. Das ist aber leider, leider nicht so. Dabei beklage ich mich nicht über die Arbeit. Denn der Kern unserer Tätigkeit ist das ganze Jahr über gleich: Wir fragen die Leute immer alles. Ohne Vergleichsdaten steht ein Meinungsforscher dumm da. Aber zusätzliche Arbeit gibt es doch. Plötzlich stehen die grauen Statistiker in gleißendem Rampenlicht. Morgens will die Bäckerin wissen, ob der Bayer es wohl macht. Am Zeitungskiosk wird mannhaft festgestellt, dass der Schröder jetzt erledigt ist. Und bevor man auch nur im Büro angekommen ist, haben schon zwei, drei Journalisten auf dem Handy angerufen: Wie wirkt es sich aus, dass der Gysi den Oskar gemacht hat? Nehmen die Leute den Spaß-Guido aus dem Wohnmobil noch ernst? Geschäftlich ist diese hohe Nachfrage natürlich so wie in dem Shakespeare-Drama: Viel Lärm um nichts. Aber ich freue mich über das Interesse der Zeitgenossen und genieße das argumentative Ringen mit den Journalisten. Bitter wird es, wenn man der blanken Böswilligkeit ausgesetzt wird. Da behauptet ein Wahlkampf-Manager, die Umfragen seien gefälscht, er droht sogar. Ich mache das jetzt drei Jahrzehnte. Man kann mir nicht drohen. Was erwartet dieser Mensch? Grimms Märchen vielleicht, fährt mir durch den Kopf: „Spieglein, Spieglein an der Wand, bin ich die Schönste im Land? Aber ja, Frau Königin!.“

Wenn sich in diesem schwülen Sommer erhitzte Eitelkeit mit dem Zorn des schlechten Verlierers paart, dann wird mir das Leben sauer. Aber als alter Hase rennt man nicht davon, nur weil die Kettenhunde knurren. Die Karawane zieht weiter, hat Helmut Kohl gesagt, auch wenn die Kettenhunde kläffen. Und schon ist meine gute Laune wieder da.

Der Autor ist Gründer und Geschäftsführer des Meinungsumfrage-Instituts Forsa. Bis zum 22. September lesen Sie an dieser Stelle Stimmen zum Wahlkampf.

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