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Politik: Spiel mit dem Tod

Das Pentagon wollte im Internet auf Terror wetten lassen – erst ein Aufschrei im Kongress stoppte den Plan

Von Matthias B. Krause,

New York

Vize-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz hat ein Grinsen nicht unterdrücken können. Bei einer Senatsanhörung löcherten ihn die demokratischen Abgeordneten mit empörten Fragen nach der geplanten Terror- Börse, an der man auf zukünftige Anschläge wetten kann. US-Medien hatten zuvor berichtet, das Pentagon erhoffe sich davon wichtige Aufschlüsse, die zur Verhinderung derartiger Gewaltaktionen beitragen könnten. Wolfowitz versuchte zunächst, die Idee einer zum Ministerium gehörenden Agentur zu verteidigen: „Sie ist brillant und fantasievoll an Stellen, an denen wir wollen, dass sie fantasievoll ist. Dieses Mal scheint es so, als wäre sie etwas zu fantasievoll.“ Wenige Stunden später war die Idee der Terrorbörse begraben.

„An dieser Idee ist etwas sehr Krankes“, hatte die demokratische Senatorin Barbara Boxer Wolfowitz bei seinem Auftritt ärgerlich entgegnet, „ich denke nicht, dass wir das Programm einfach weglachen können“. An der geplanten Internetbörse namens Policy Analysis Market (Pam) sollten Händler auf zukünftige Ereignisse wetten können. Wer richtig liegt, kassiert das Geld, wer falsch liegt, verliert es. Die Defense Research Projects Agency (DRPA), die für das Projekt verantwortlich zeichnet, hielt auf der Internet-Seite für die Pam anschauliche Beispiele bereit.

Demnach hätten die Händler Bonds für potenzielle Ereignisse wie den Sturz des jordanischen Königs, die Ermordung von Palästinenser-Führer Jassir Arafat oder einen Raketenanschlag Nordkoreas kaufen können. Am Freitag sollte die Registrierung beginnen, am 1. Oktober der Handel. Bis 2004 hatten die Macher mit bis zu 10 000 Teilnehmern gerechnet, das Pentagon sollte für das Projekt insgesamt acht Millionen Dollar bereitstellen. Mittlerweile ist die Internet-Seite nicht mehr erreichbar. DRPA-Chef Tony Tether bestätigte die Einstellung des Projekts. Seine Begründung: „Unser Job ist es, neue Ideen zu untersuchen und diese Idee hat nicht funktioniert.“

Ans breitere Licht gekommen waren die Pläne am Montag durch einen Vorstoß zweier demokratischer Senatoren. Ron Wyden nannte die Terrorbörse ein „staatliches Wettbüro auf Grausamkeit und Terror“, sein Kollege Byron Dorgan nannte sie einfach „unglaublich dumm“. Oppositionsführer Thomas Daschle sah in dem Prinzip, das an dem Börsenspiel, an dem sich theoretisch auch Terroristen hätten beteiligen können, „in Wirklichkeit eine Belohnung, um terroristische Akte zu begehen. Es ist einfach falsch“. Senatorin Hillary Clinton wetterte: „Das ist ein Zukunftsmarkt des Todes.“

Auch die Kommentare am Mittwoch in den Zeitungen fielen kaum besser aus. Die „Washington Post“ wertete die Idee als Peinlichkeit für das Pentagon. „Der Plan ist auch die jüngste und bekloppteste Manifestation des fast religiösen Glaubens der Bush-Administration, dass der Markt alle Probleme löse.“ Die „New York Times“ forderte, dass Köpfe rollen und hatte dabei insbesondere den von John Poindexter im Sinn. Der ehemalige General, der einst Ronald Reagan als Berater diente und in der Iran-Kontra-Affäre der Lüge überführt wurde, zeichnet für mehrere Anti-Terror- Vorstöße verantwortlich.

Bevor die Idee der Terrorbörse geplant wurde, wollte Poindexter das Programm „Total Information Awareness“ starten. Im Prinzip die Sammlung aller verfügbaren elektronischen Informationen über Personen, ob nun vom Finanzamt, der Krankenkasse oder dem Sozialamt. Auch dieser Vorschlag wurde verworfen – zumindest, was seine Anwendung auf amerikanische Staatsbürger betrifft.

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