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Politik: Spontisprüche aus Brüssel: Europa-Abgeordnete Ilka Schröder provoziert Parteifreunde

Ilka Schröder (22) genießt die plötzliche Prominenz. Die Berliner Europaparlamentarierin lächelt zufrieden, als sie an ihrem Schreibtisch in Brüssel sitzt und die aufgeklebten Zeitungsartikel heraussucht.

Ilka Schröder (22) genießt die plötzliche Prominenz. Die Berliner Europaparlamentarierin lächelt zufrieden, als sie an ihrem Schreibtisch in Brüssel sitzt und die aufgeklebten Zeitungsartikel heraussucht. Große deutsche Zeitungen haben bereits über "ihren Fall" berichtet: über den Konflikt, den die junge Politikerin mit den alten linken Ansprüchen und der Lust am Tabubruch mit ihrer ums politische Überleben kämpfenden grünen Partei hat. "Ich hoffe, dass jetzt endlich auch einmal inhaltlich diskutiert wird", sagt sie auf die Frage, ob sie einen Parteiausschluss befürchtet. Mit ihren Thesen habe sie die politische Debatte erzwingen wollen. "Dazu war bisher niemand bereit", erzählt sie. "Wer sicherstellen will, dass Deutschland weiterhin Kriege führen und gewinnen kann, sollte 2002 unbedingt die Grünen unterstützen", schreibt sie in dem jüngsten Informationsblatt "Denkpause". Vor Ostern provozierte sie mit der Forderung, Schleuser an der polnischen Grenze zu subventionieren. "Schließlich schottet sich Europa immer mehr ab. Da sollen nicht nur Wohlhabende die Chance haben, trotzdem einzureisen".

Heide Rühle, ebenfalls Europaparlamentarierin und langjährige grüne Bundesgeschäftsführerin, erinnert Verbalradikalität dieser Art an Jutta Ditfurth. Schröders Sprüche bringen sie auf die Palme, weil sie sie schlicht und einfach für parteischädigend hält. "Unsere Wählerinnen und Wähler verstehen es nicht, wenn Grüne so viele verschiedene Positionen vertreten", meint Rühle. "In der Öffentlichkeitsarbeit können wir nicht zusammenarbeiten". Ilka Schröder sieht dagegen in ihrem Sarkasmus und den bewussten Provokationen die einzige Chance, sich und ihrer Position Gehör zu verschaffen. Vor Jahren hätte ihre Meinung zu Einwanderung, Datenschutz, dem "Überwachungsstaat" durchaus im Mainstream der Grünen gelegen. Inzwischen aber sieht sich auch die für die "Parteilinke" nominierte Sprecherin Antje Radtcke genötigt, sich überdeutlich von Schröder zu distanzieren, wenn etwa die "Berliner Morgenpost" um Stellungnahme zu Schröders Spontisprüchen bittet.

Die deutschen Grünen sind offensichtlich enorm unter Druck. Auf europäischer Ebene ist das noch immer anders. Die grüne Fraktion im Europaparlament hat deshalb auch weniger Probleme mit ihrer jüngsten Abgeordneten. Schröder wurmt es zwar, wenn Daniel Cohn-Bendit sie nicht ernst nimmt: "Er spricht von mir nur als der Kleenen". Ablehnung findet sie neben Rühle bei Ozan Ceyhun. Gut kommt sie mit den "linken" deutschen Europaabgeordneten Hiltrud Breyer und Elisabeth Schrödter aus und vor allem mit den irischen und schwedischen Kolleginnen. Der Fraktionsvorstand der Europaparlamentsfraktion hat es abgelehnt, Schröder zu maßregeln. "Der Fraktionsgeschäftsführer wird einmal mir ihr reden", sagt Rühle, Schatzmeisterin im Fraktionsvorstand, ansonsten seien die deutschen Grünen zuständig. Ilka Schröder will abwarten, ob der Bundesvorstand Kontakt zu ihr aufnimmt: "Bis jetzt hat keiner von denen, die mich in den Zeitungen kritisieren, persönlich mit mir gesprochen." Ihr Mandat als Europaageordnete wird sie jedenfalls nicht zurückgeben. "Für meine politischen Ziele kann ich hier sehr viel tun", betont sie. Deshalb wolle sie die Mittel, die ihr im Europaparlament weiterhin nutzen und auch ihr Informationsblatt "Denkpause", den Stein des Anstoßes, weiter herausbringen. "Ich will darüber diskutieren, warum die Grünen sich so verändert haben. Was ich dann tue, weiß ich jetzt noch nicht", gesteht sie.

Mariele Schulze Berndt

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