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Sprachtests: "Analphabeten kennen das Gesetz nicht“

Josef Winkler über den Petitionsausschuss und seine Not mit Sprachtests.

Herr Winkler, die Anforderungen an Angehörige, die zu ihren Familien nach Deutschland ziehen wollen, wurden verschärft. Ist das im Petitionsbericht schon zu merken?

Es gibt einen erheblichen Zuwachs von Eingaben wegen der Einführung von Sprachanforderungen vor der Einreise. Das ist nicht überraschend, denn die Rechtslage ist so schikanös – es fehlt zum Beispiel eine Härtefallregelung –, dass eine Eingabe an den Petitionsausschuss für viele tatsächlich die einzige Möglichkeit ist. Ich fürchte aber, dass sich bei der Union nichts bewegen wird. Die Kollegen sind fest davon überzeugt, dass höhere Sprachanforderungen Zwangsehen verhindern – obwohl die Fakten das überhaupt nicht belegen.

Es sollte vor allem der Nachzug türkischer Importbräute verhindert werden.

Die Petitionen kommen aber aus allen Teilen der Welt. Selbst wenn das Goethe-Institut es schaffen sollte, die Türkei mit Sprachangeboten zu überziehen, sind wir im Rest der Welt davon noch weit entfernt. Zudem hat die Durchführungsverordnung zum Gesetz das Gesetz noch verschärft: Gefordert waren „einfachste Sprachkenntnisse“, daraus ist jetzt A-1-Niveau geworden. Das ist viel mehr als „einfachste Sprachkenntnisse“.

Haben Sie ein Beispiel eines Härtefalls?

Von einem Gambier, der Analphabet ist, wurde verlangt, dass er erst einmal in seiner Muttersprache schreiben und lesen lernt und dann den Deutschkurs beginnt. Analphabeten kennen das Gesetz gar nicht; offensichtlich hat man in Deutschland nur als Akademiker das Recht auf Familienzusammenführung. Was das mit der Verhinderung von Zwangsheiraten zu tun hat, weiß ich nicht.

Auch Spätaussiedler haben sich beim Petitionsausschuss gemeldet.

Ja, und die haben sogar relativ gute Möglichkeiten, einen Sprachkurs zu besuchen. Oft sind das aber alte Menschen, die damit Schwierigkeiten haben. Da das Gesetz keine Übergangsfristen kennt, wurden Familien auseinandergerissen – ein Teil durfte nach altem Recht einreisen, die anderen nach neuem Recht nicht.

Wird es bei dieser Rechtslage bleiben?

Ich bin sicher, dass dieses Gesetz irgendwann vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern wird. Das wünscht man sich ja selbst in der SPD, die dafür gestimmt hat. Wenn Petitionen Seismografen für Probleme sind, dann schlägt hier der Seismograf gewaltig aus.

Josef Winkler (34) ist migrationspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Er ist ordentliches Mitglied des Petitionsausschusses.

Das Gespräch führte Andrea Dernbach.

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