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Politik: Sri Lanka am Scheideweg

Die Präsidentenwahl bestimmt auch über den Kurs im Friedensprozess mit den Tamilen-Rebellen

Wäre es nach ihr gegangen, hätte Chandrika Kumaratunga auch ein drittes Mal kandidiert. Doch ein Gericht lehnte dies als verfassungswidrig ab. So tritt die 60-jährige Präsidentin Sri Lankas nach einem Jahrzehnt ab. Um das mächtigste Amt des Landes konkurrieren nun bei der Wahl an diesem Donnerstag vor dem Hintergrund einer brüchigen Waffenruhe zwischen der Regierung und den Tamilen-Rebellen der LTTE zwei Männer, die für absolut gegensätzliche politische Lager stehen: der derzeitige Premierminister Mahinda Rajapakse und Oppositionsführer Ranil Wickremesinghe.

Rajapakse, der für Kumaratungas regierende Freiheitspartei SLFP antritt, gilt als Hardliner. Zwar bekennt sich der 59-jährige zum Friedensprozess, doch er will das Waffenstillstandsabkommen überprüfen und den zentral gelenkten Einheitsstaat verteidigen. Westliche Diplomaten sind besorgt, weil er mit fragwürdigen Bündnisgenossen paktiert. So ging Rajapakse ein Wahlbündnis mit den militant-nationalistischen Parteien JVP und JHU ein, die die LTTE als ihren Erzfeind sehen und eine föderalistische Lösung des Konflikts ablehnen.

Sein Rivale Wickremesinghe von der größten Oppositionspartei UNP sicherte sich die Rückendeckung der Partei der Muslime und der tamilischen Teeplantagenarbeiter. Der 56-jährige will den Friedensprozess vorantreiben und liebäugelt mit bundesstaatlichen Strukturen, um den Tamilen in ihren Gebieten mehr Selbstständigkeit zu geben. „Das Entscheidende ist, dass die Menschen Frieden wollen. Und den werde ich liefern.“ Wickremasinghe war es, der als Premierminister Anfang 2002 nach 20 Jahren Bürgerkrieg mit mehr als 60000 Toten den Waffenstillstand mit der LTTE aushandelte.

Beifall bekommt er neuerdings pikanterweise von seiner alten Erzfeindin Kumaratunga. Diese hatte Wickremesinghe 2004 aus dem Amt gedrängt – sie warf ihm vor, zu nachgiebig gegenüber den Rebellen zu sein. Die Präsidentin hat sich angeblich mit Rajapakse, dem Kandidaten ihrer Partei, überworfen, weil er sich mit JVP und JHU zusammengetan hat. Es wird spekuliert, dass Wickremesinghe ihr zugesagt habe, sie zur Premierministerin zu machen, falls er gewinnt.

Erwartet wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Zum Zünglein an der Waage könnte die tamilische Minderheit werden. 18 Prozent der 20 Millionen Bürger des Inselstaats sind Tamilen. Beobachter hatten erwartet, dass sich die LTTE und ihr politischer Arm, die Tamilenpartei TNA, für Wickremesinghe aussprechen. Doch dies taten sie überraschenderweise nicht. Stattdessen erklärten LTTE und TNA, die Tamilen bräuchten sich nicht für die Wahl zu interessieren: „Das tamilische Volk ist sehr enttäuscht von den Wahlprogrammen und den früheren Erfahrungen mit beiden Kandidaten.“ Käme es zu einem Wahlboykott, würde dies die Chancen von Rajapakse deutlich erhöhen.

Christine Möllhoff[Neu-Delhi]

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