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Politik: Staatsschutz in Frack und Seidenstrumpf Parlamentsinvasion

schockt die Briten

Seit 2001 rüstet sich die britische Demokratie für den schweren Terroranschlag. Hubschrauber kreisen über Westminster. Das Parlament ist von Betonsperren umgeben. Wer das Gebäude betritt, wird wie an einem Flughafen durchleuchtet und betastet. Doch in diesem Jahr kletterten bereits GreenpeaceDemonstranten auf den Turm von Big Ben, „Väter für Gerechtigkeit“ warfen mit Mehl gefüllte Kondome auf Tony Blair. Und nachdem ein „Batman“ die Sicherheitskräfte von der Fassade des Buckingham-Palasts herab zum Narren gehalten hatte, drangen am Mittwoch fünf Fuchsjagd-Anhänger in das Unterhaus ein – verfolgt von der chaplinesken Sicherheitstruppe des „Serjeant-at-Arms“ in Frack, Kniehosen und Seidenstrümpfen. Die Männer waren während einer Debatte über das später beschlossene Fuchsjagd-Verbot in die Abgeordnetenkammer gelaufen.

So lächerlich der ganze Vorgang wirkte – die erste Parlamentsinvasion seit dem Jahr 1642, als König Charles I. fünf Parlamentarier verhaften wollte, schockte Großbritannien. Das Königshaus war diesmal nicht im Spiel – auch wenn einer der Eindringlinge, der britische Polostar Luke Tomlinson, ein guter Freund der Prinzen William und Harry ist. König Charles I. musste sein Vorgehen gegen die Parlamentarier seinerzeit mit dem Kopf bezahlen – und auch die Freunde der Fuchsjagd hätten diesmal wissen müssen, dass mit einem Parlament nicht zu spaßen ist. „Eine physische Bedrohung des Parlaments muss jeden Demokraten alarmieren“, empörte sich dann auch der „Guardian“ – „ob von der Monarchie, wie im 17. Jahrhundert, von der Luftwaffe, oder wie gestern, von der Country Alliance“.

Der Sprecher der Konservativen, Simon Gray, sprach dagegen von einer „lächerlichen Überreaktion“. Er fürchtet wie viele Kollegen, dass die Fuchsjäger der Labour-Regierung einen Vorwand geliefert haben, dem Parlament weitere Privilegien zu nehmen – dazu zählt das Vorrecht auf eine eigene Sicherheitstruppe, die von der Exekutive unabhängig ist.

Der Charakter der britischen Demokratie hat sich verändert. Die Fuchsjagd hat den Graben um das britische Parlament vertieft. Nicht nur, weil nun Besucherrechte eingeschränkt und Demonstrationen im Parlamentsviertel wieder verboten werden dürften. Nicht nur, weil Einwände des Oberhauses nun mit dem umstrittenen „Parliament Act“ hinweggefegt werden. Das Unterhaus steht als Sachwalter von Sonderinteressen da. „Eine unliberale Lösung für ein irrelevantes Problem“, resümierte der „Independent“ das Verbot der Fuchsjagd. Klassenkampf und ziviler Ungehorsam liegen in der Luft.

Nicht von ungefähr ließ sich kaum ein Kabinettsmitglied am Mittwoch bei der Debatte über die Fuchsjagd blicken. Die Labour-Führung hatte das Parlament dieses Mal ihren Hinterbänklern überlassen – aus „politischer Schwäche“, wie nicht nur der „Independent“ bemerkte.

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