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Politik: Stabilität zuerst

Islamabad. Nach fünf Stunden Flug, irgendwo über der iranischen Steppe, wird der Außenminister ans Telefon gerufen.

Von Hans Monath

Islamabad. Nach fünf Stunden Flug, irgendwo über der iranischen Steppe, wird der Außenminister ans Telefon gerufen. Draußen ist es schon dunkel, die Regierungsmaschine fliegt gerade im sicheren Abstand zur afghanischen Grenze in die pakistanische Hauptstadt Islamabad, die erste Station von Joschka Fischers Reise durch den Mittleren und Nahen Osten. Ariel Scharon ist am Apparat, der israelische Regierungschef. Er ruft an, weil es wieder Tote gegeben hat im Kampf zwischen Israelis und Palästinensern. Als der Außenminister wenig später zurückkommt, legt er die Stirn in noch tiefere Falten. Details verrät er nicht, nur so viel: "Die Lage ist ernst."

Zum Thema Online Spezial: Terror und die Folgen Themenschwerpunkte: Gegenschlag - Afghanistan - Bin Laden - Islam - Fahndung Fotostrecke: Bilder des US-Gegenschlags Mit einem ehrgeizigen Programm im Gepäck war Joschka Fischer am Donnerstagmittag gestartet. Nicht nur um humanitäre Hilfe für die afghanischen Flüchtlinge wollte er sich kümmern, sondern gleich auch noch um die Stabilität der Region im Nahen und Mittleren Osten und um einen europäischen Beitrag zum Nahost-Friedensprozess. Stabilität ist das wichtigste Interesse der Regierung, mit deren Vertreter Minister Fischer am Freitag in Islamabad auf der ersten Station seiner Tour verhandelt: Denn Pakistans Generalpräsident Pervez Musharraf führt ein islamisches Land, dessen Eliten noch vor kurzem mit den Taliban im Nachbarland aufs Engste verknüpft waren. Die Mehrheit der Bevölkerung lehnt die Luftangriffe strikt ab.

Dem Präsidenten und seinem Außenminister Abdul Sattar, die ihr Land in die Anti-Terror-Allianz geführt haben, verspricht Fischer deshalb Unterstützung und er lobt das Regime ausdrücklich für seine "mutigen Schritte" nach dem 11. September. Er wirbt auch dafür, dass die Gastgeber ihre geschlossene Grenze für die Flüchtlinge wieder öffnen. Er gewinnt den Eindruck, dass Musharrafs Regierung in dieser Frage ihre harte Haltung etwas lockert. Auch vor den Kameras der überwiegend islamischen Medien bemüht sich Fischer um Versöhnung: er lobt den Islam, wirbt für den Dialog der Kulturen.

In den Verhandlungen stellt sich heraus, dass Deutsche und Pakistani einige Vorstellungen teilen, welche politische Ordnung nach dem Sturz der Taliban das Nachbarland braucht: auch die Politiker um Musharraf wünschen sich dort eine zentrale Rolle der Vereinten Nationen. Eine neue Regierung Afghanistans darf der Bevölkerung nicht oktroyiert werden, soll aber auch nicht von einem einzelnen Stamm des Landes dominiert werden. Und Stammesfürsten gibt es viele. Schließlich könnte der exilierte König Zahir Schah, dessen Emissäre in diesen Tagen auch in Islamabad verhandeln, eine wichtige Rolle spielen.

Fischer drängt darauf, sich schnell auch über einen Weg hin zu dieser Ordnung zu verständigen, eben noch bevor der Krieg endet. Denn sowohl die pakistanische Regierung wie die Vertreter der humanitären Organisationen haben den Außenminister gewarnt: Ein Machtvakuum nach dem Auszug der Taliban muss verhindert werden, denn dann droht mit großer Wahrscheinlichkeit ein neuer Bürgerkrieg.

Ein Argument, das in der deutschen Debatte eine große Rolle spielt, hört Fischer nicht in seinen Gesprächen mit den Vertretern humanitärer Organisationen. Nur wenn die Waffen der Allianz schwiegen, sei wieder Hilfe möglich. Nach Angaben der Organisation: Nur wenn die Waffen der Allianz schwiegen. Claudia Roth, die als Parteichefin der Grünen kurz vor Fischer in Pakistan war, hatte damit ihre Forderung nach einer Unterbrechung der Luftangriffe begründet. Fischer kommt zum gegenteiligen Ergebnis: "Mehr denn je" ist er jetzt davon überzeugt, dass Afghanistan "schnellstmöglich" eine neue Regierung brauche.

Immerhin auch eine gute Nachricht gibt es an diesem Tag aus Kabul: die Lage der dort inhaftierten Shelter-Now-Mitarbeiter scheint nicht mehr aussichtslos. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Helfer, unter denen vier Deutsche sind, als Geiseln betrachtet werden. Mitten im Krieg wächst die Hoffnung, dass die Helfer mit geringen Haftstrafen davonkommen und bald freigelassen werden.

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