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Ständiger UN-Sitz: "Nein" Afrikas lässt Chancen Deutschlands abstürzen

In Addis Abeba - der Name bedeutet "Neue Blume" - hat Afrika unverblümt "Nein, danke" gesagt. Die Verweigerung eines gemeinsamen Vorgehens mit Deutschland, Japan, Indien und Brasilien (G4) lässt deren Chancen auf ständige Sitze im UN-Heiligtum Sicherheitsrat dramatisch sinken.

New York (05.08.2005, 15:00 Uhr) - Aber auch die Afrikaner können ihre Position nicht durchsetzen. Der eigentlichen Verlierer sind sie selbst.

Kopfschütteln war die vorherrschende Reaktion bei Diplomaten der Vierergruppe sowie von Ländern, die den G4-Vorschlag zur Erweiterung des politisch wichtigsten UN-Gremiums unterstützen. Japan verkündete als erster einen Rückzieher. Eine Abstimmung über die G4-Resolution zur Reform des Weltsicherheitsrates werde gründlich durchdacht, sagte Außenminister Nobutaka Machimura.

Der deutsche Bundeskanzler folgte. Für eine Einigung sei wohl «mehr Zeit» nötig, räumte Gerhard Schröder ein. Eigentlich hatten die G4 bis zum UN-Gipfel zum 60. Jahrestag der Weltorganisation Mitte September alles unter Dach und Fach bringen wollen. «Mehr Zeit» könnte sich nun durchaus als bis zum Sankt Nimmerleinstag erweisen.

Um ihr Drängen auf Dauersitze für sich selbst sowie zwei afrikanische Staaten akzeptabel zu machen, hatten Deutschland, Japan, Indien und Brasilien auf Vetorechte verzichtet. Viele, die eine Ausdehnung dieses als undemokratisch empfundenen Privilegs über den Kreis der Atommächte USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich ablehnen, sagten nun den G4 Unterstützung zu. Rund 100 Länder sollen sie auf ihrer Seite haben.

Doch für eine Zwei-Drittel-Mehrheit werden mindestens 128 Stimmen gebraucht. Ohne dass eine größere Zahl der 53 afrikanischen Staaten mit am G4-Strang zieht, läuft nichts. Wie mit Engelszungen redete der Präsident Nigerias, Olusegun Obasanjo, auf seine «Brüder» in der Afrikanischen Union (AU) ein: Die Forderung nach Vetorechten für neue Ständige, darunter zwei Afrikaner, sei in der UN-Vollbersammlung nicht mehrheitsfähig. Afrika müsse davon ablassen, «es sei denn, unser Ziel ist es, jede Entscheidung zu verhindern».

Manches deutet darauf hin, dass genau dies bei nicht wenigen Afrikanern der Fall war. Nur mit müdem Lächeln reagieren westliche UN-Diplomaten, wenn zum Beispiel der UN-Vertreter Simbabwes erklärt, der Beschluss von Addis Abeba sei aus «prinzipiellen» Erwägungen zur Gerechtigkeit bei den Vereinten Nationen gefasst worden.

Dass in Simbabwe das angeschlagene Regime von Robert Mugabe vor allem durch die Hilfe Pekings überlebt, pfeifen die Spatzen von den Dächern. Auch für Sudan und etliche andere Staaten des «Schwarzen Kontinents» ist China längst der weit wichtigere Partner als Europa, zumal einer, der keine Fragen nach Menschenrechten stellt.

Dass China alles daran setzen würde, den G4-Vorschlag auszuhebeln, hatten die Diplomaten Pekings unverblümt verkündet. «Nicht nur die Hand Chinas, sondern auch der Einfluss der USA in einigen Ecken Afrikas war deutlich zu spüren», kabelte ein hochrangiger europäischer Diplomat aus Addis Abeba.

Hinzu kommt, dass sich die Afrikaner nicht einigen konnten, wer denn überhaupt die zwei für sie vorgesehen Sitze bekommen soll. Das vergleichsweise mächtige Erdölland Nigeria drängte darauf, ebenso wie Südafrika und Ägypten. Aber auch die Kenianer, die Algerierer und einige andere sähen sich allzu gern im UN-Rat. Lieber gar keiner, als der regionale Rivale, lautete offenbar für viele das Motto.

Was dem Beschluss von Addis Abeba nach Ansicht von UN-Beobachtern besondere Tragik verleiht, ist die Tatsache, dass Afrika selbst mit in dem nun Leck geschlagenen Boot der UN-Reform sitzt. Ob Bürgerkriege, Staatsstreiche oder Hungersnöte - die Probleme Afrikas machen fast 70 Prozent der Themenpalette des Sicherheitsrates aus. An den Entscheidungen des Rates dürften nun auch künftig keine Afrikaner als ständige Mitglieder beteiligt sein, ebenso wenig wie die Deutschen. (tso)

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