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Politik: Stasi auf Betriebsausflug

Alte Garde dominiert historische Tagung in Odense

Odense - Gut 60 Ex-Chefs und Mitarbeiter der Stasi haben eine Konferenz über die Arbeit der DDR-Auslandsspionage („HV A“) im dänischen Odense zur umfassenden Rechtfertigung genutzt. „Als blöden Scherz könnte man sagen, dass das für uns ein Betriebsausflug der HV A ist. Man sieht ja selten so viele Geheimdienstler auf einem Haufen“, scherzte am Sonntag Jürgen Strahl, Ex-Stasi-Hauptmann und Anwalt. Vor den rund 250 Teilnehmern der Tagung rechtfertigte er die Hinrichtung des Stasi-Mannes Werner Teske 1981, die letzte der DDR: „Haben Sie den Stauffenberg-Film nicht gesehen? Wer Verräter ist, erschießt sich selbst oder wird erschossen.“

Der junge dänische Historiker Thomas Wegener Friis hatte die früheren Stasi-Größen an der Süddänischen Universität (SDU) vor allem als „Zeitzeugen“ zu Wort kommen lassen wollen, „ehe es zu spät ist“. Ihm sei klar gewesen, „dass die HV-A-Leute ihre Position darlegen würden. Das ist natürlich kontrovers. Aber alles in allem ist das vernünftig abgelaufen“, sagte Friis. Die Fachwissenschaftler unter den Rednern blieben allerdings deutlich im Schatten der einstigen DDR-Geheimdienstler, die selbstbewusst bis aggressiv auch Fragerunden zur Selbstdarstellung nutzten. An zwei Tagen hörten die Teilnehmer Referate von elf Ex- Stasi-Offizieren. Einer nach dem anderen erläuterte – ohne auch nur eine Einschränkung –, wie erfolgreich, den Frieden sichernd und nicht zuletzt humanistisch die HV A nach ihrer Überzeugung gewirkt habe.

„Ich bin stolz auf unsere Arbeit mit herausragenden Ergebnissen. Ich würde heute nichts anders machen“, sagte etwa Ralf-Peter Devaux (67), letzter Vizechef des Amtes. Lange war er zuständig für die DDR-Spionage bei der Bundesregierung in Bonn und damit auch für den legendären Kanzleramtsspion Günter Guillaume. Werner Großmann (78), bis zum DDR-Ende HV-A-Chef, hatte seinen lobenden Beitrag über die „Kundschafter des Friedens“ krankheitshalber vorlesen lassen und wurde mit Beifall der Mitgereisten bedacht.

Ein erster Anlauf für die Konferenz am 16. und 17. Juni in Berlin war nach heftigen Protesten, dem Rückzug der für die Stasi-Akten zuständigen Birthler-Behörde und der Kündigung von Räumen durch die Max-Planck-Gesellschaft, abgesagt worden. Jens Gieseke, als Beobachter der Birthler-Behörde nach Odense gereist, urteilte jetzt: „Unsere Befürchtungen, dass dies kein geeignetes Forum ist, haben sich mehr als bestätigt.“ Nach einer der Rechtfertigungsreden, fast alle in Stil und Sprache der früheren DDR-Bürokratie gehalten, platzte dann doch einem Diskussionsleiter der Kragen: Er rügte den früheren Stasi-Offizier Horst Behnke für „sehr propagandistische Äußerungen“, nachdem dieser gesagt hatte: „Es gibt wie schon zu DDR-Zeiten eine gezüchtete Stasi-Hysterie durch Leute, die die Wahrheit nicht hören wollen.“

Betont angriffslustig äußerten sich auch die einstigen Stasi-Topspione Rainer Rupp und Gabriele Gast. Rupp, der die HV A bis 1990 mit Nato-Geheimnissen aus Brüssel beliefert hatte, schilderte sich als „Friedensbewahrer“, während westliche Geheimdienste „weiter foltern, morden und putschen“. Gast, DDR-Spionin in der BND-Zentrale, wetterte gegen die „pauschale Diffamierung der DDR als angeblichem Unrechtsstaat“. Ehemalige DDR-Funktionsträger hätten noch immer kein Recht auf freie Meinungsäußerung.Thomas Borchert (dpa)

Thomas Borchert (dpa)

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