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Nur ehrgeizig – oder ein Eiferer? Roland Jahn.

© Kai-Uwe Heinrich

Stasi-Unterlagen: Schwierige Geschichte

Als Roland Jahn die Leitung der Bundesbehörde für Stasiunterlagen übernahm, wollte er alles anders machen. Dass die Behörde Ex-Stasimitarbeiter beschäftigt, blieb aber ein Problem. Ende Mai liegt vielleicht eine Lösung vor.

Von Matthias Meisner

Wer in diesen Wochen die Bundesbehörde für die Stasiunterlagen in der Berliner Karl-Liebknecht-Straße aufsucht, kann auf einen störrischen Pförtner treffen. „Mich kriegen sie hier nicht raus“, sagt der Mann am Eingang – einer von 47 früheren hauptamtlichen Mitarbeitern der Stasi, die meist seit 20 Jahren im Dienste der Behörde stehen. Schließlich sei er „nicht Spielball der Geschichte“. Und überhaupt: Mit ihm habe bisher niemand gesprochen.

Die Momentaufnahme im Besucherverkehr steht für die heftige Auseinandersetzung um ein anspruchsvolles Vorhaben, mit dem der neue Stasiunterlagenbeauftragte Roland Jahn Mitte März ins Amt gestartet war. Gleich bei der Amtsübergabe von Marianne Birthler an ihn im Pei-Bau nahe der Berliner Museumsinsel hatte Jahn die Beschäftigung von Ex-Stasileuten als „unerträglich“ und „Schlag ins Gesicht der Opfer“ bezeichnet. Die einen jubelten – vor allem Vertreter von Opferverbänden, aber auch Politiker der Regierungskoalition aus Union und FDP. Zu den Skeptikern dagegen gehörte von Anfang an der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz. Er machte sich zum Wortführer derjenigen, die meinen, dass auch Jahn nicht schaffen werde, was dessen Amtsvorgänger Birthler und Joachim Gauck nicht geschafft haben.

An diesem Wochenende nun legte Wiefelspütz mit ausgesprochen scharfer Wortwahl nach. Wiefelspütz nannte den in der DDR verfolgten früheren Bürgerrechtler Jahn einen „Eiferer“, der „Schaum vorm Mund“ habe. Dem „Focus“ gestand Wiefelspütz: „Ich habe ihn gewählt, aber ich habe mich geirrt.“ Denn schließlich sei die Stasiunterlagenbehörde „keine Einrichtung, in der es um Menschenjagd“ gehe.

Seit Jahn im Amt ist, hat es kein Gespräch zwischen ihm und Wiefelspütz gegeben. Und obwohl Jahn auch von den scharfen Angriffen irritiert sein mag, will er doch nicht den offenen Schlagabtausch mit dem Sozialdemokraten – ohnehin ist bekannt, dass die lieber den Berliner Oberkirchenrat David Gill als Jahn an der Spitze der Behörde gesehen hätten. „Ich möchte Herrn Wiefelspütz nicht kommentieren“, sagte Jahn dem Tagesspiegel am Sonntag. Allerdings bekräftigt er seinen Kurs gegen die Ex-Stasileute, von denen viele an der Pforte und im Wachdienst arbeiten. „Mein Ziel heißt Versöhnung. Ich will, dass die Aufarbeitung gelingt. Dafür müssen die Wunden der Opfer geheilt werden“, betont er im Gespräch mit dieser Zeitung weiter. Schließlich habe auch seine Vorgängerin Birthler die Stasimitarbeiter in der Behörde als „schwere Hypothek“ bezeichnet. „Ich habe dieses Problem erneut deutlich benannt, weil es unsere Arbeit behindert und die Glaubwürdigkeit der Behörde beschädigt.“

Wie viel Jahn ausrichten kann, ist offen. Auch unter Birthler und Gauck hatte es Versuche gegeben, die früheren hauptamtlichen Stasimitarbeiter loszuwerden, sie etwa in andere Bundesbehörden zu versetzen. Das gelang nicht, Jahn hat offenkundig den Verdacht, es habe am notwendigen Ehrgeiz gefehlt. Er hat gleich nach seinem Amtsantritt ein arbeitsrechtliches Gutachten in Auftrag gegeben, das die Möglichkeiten aufzeigen soll. Ende Mai soll es vorliegen. Abfindungen schließt Jahn aus, und er will auch nicht einzelne Ex-Stasileute in seiner Behörde auf Posten ohne Außenkontakte „verstecken“.

In jedem seiner Interviews geht es um das Thema. Erst vor wenigen Tagen sagte er der „Super Illu“ über die 47 Leute: „Das waren auch keineswegs kleine Würstchen, sondern überwiegend ehemalige Offiziere.“ Nach wie vor könne er sich vorstellen, sie „in weniger sensiblen Bereichen“ im Staatsdienst, also bei anderen Behörden, einzusetzen. Das Echo bei anderen Bundesbehörden zu dieser Idee ist äußerst verhalten. Eines will Jahn aber auf keinen Fall, wie er der Zeitschrift sagte – als Rächer dastehen. „Mein Grundsatz heißt strikte Rechtsstaatlichkeit.“ Schließlich habe er genau für diese Forderung in der DDR im Gefängnis gesessen.

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